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Di | 26.11.2013
György Konrád. (Quelle: daad)
2.4.2013
György Konrád wird 80
Zum Helden fühlte er sich nie wirklich berufen. Den Holocaust in seiner Heimat Ungarn überlebte er als Kind knapp. Heute ist der Citoyen und Intellektuelle Konrad eine gesamteuropäische Instanz.
"Vaterlandsverräter" einst und heute
Nein, Angst habe er nicht, auch wenn er antisemitsch angefeindet werde, meinte neulich der ungarische Schriftsteller György Konrád im Interview mit der "Rheinischen Post". "Angst gehört nicht zu meinen Gewohnheiten", unterstrich er lapidar. Als "Vaterlandsverräter" sei er schon von den Kommunisten beschimpft worden, und nun werde er es von den heutigen Nationalisten.
Ein Überlebender des Holocaust
Konrád, der am Dienstag (2. April) 80 Jahre alt wird, ist ein Überlebender des Holocaust. Die meisten seiner Verwandten und Klassenkameraden aus der ostungarischen Kleinstadt Berettyóújfalu, in der er als Sohn eines Eisenhändlers aufwuchs, wurden damals nach Auschwitz verschleppt und ermordet.
Romandebüt im Jahr 1969
Als junger Mann arbeitete Konrád zunächst als Jugendfürsorger und Stadtsoziologe. Das Romandebüt "Der Besucher" veröffentlichte er 1969. Der schonungslose Blick auf die offiziell verleugneten Zonen des Elends im Realsozialismus brachte ihn zunehmend in Opposition zum Regime.

Die - zusammen mit Iván Szelényi - verfasste systemkritische soziologische Analyse "Die Intelligenz auf dem Weg zur Klassenmacht" konnte nur im Untergrund erscheinen. Konrád handelte sich damit in Ungarn ein weitgehendes Veröffentlichungs- und Reiseverbot ein, konnte aber mit der Zeit im Westen publizieren.
Konráds Romane:
Konráds Romane - später folgten unter anderem "Geisterfest" (1986), "Melinda und Dragoman" (1991), "Glück" (2003), "Sonnenfinsternis auf dem Berg" (2005) und "Das Buch Kalligaro" (2007) - sind große Erinnerungsliteratur. Mit spielerischer Leichtigkeit schafft sich der Autor seine eigenen erzählerischen Gesetze, fügt Porträts, Anekdoten und Abhandlungen in den Erzählfluss ein.

Im Spätwerk, darunter das Essaytagebuch "Das Pendel" (2011), überwiegt der abgeklärte Ton eines distanzierten Räsoneurs. "Will keinen Einfluss ausüben, verkaufe Kontemplation", heißt es da etwa.
Er setzte sich für die europäische Einigung ein
Doch aus seiner Citoyen-Rolle ist Konrád seit der demokratischen Wende vor 23 Jahren nie geschlüpft. Mit Elan setzte er sich für die europäische Einigung ein. Von 1997 bis 2003 war er Präsident der Berliner Akademie der Künste, 2001 erhielt er den Aachener Karlspreis. Der Parade-Intellektuelle aus Ungarn wurde zur gesamteuropäischen Instanz. Der Essayist Karl-Markus Gauß meinte einmal halb-ironisch, Konrád wäre geeignet für das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Europa, wenn es diese gäbe.
Immer wieder erhebt seine warnende Stimme
Auch pflegt Konrad seine warnende Stimme zu erheben, wenn in seiner Heimat antisemitische Strömungen aufkommen, wie eben auch in den letzten Jahren wieder. Dass unter der Regierung des rechtskonservativen Ministerpräsidenten Viktor Orbán Personen mit kruden rechtsextremen Anschauungen hohe staatliche Preise erhalten und im Land eine neue völkische Symbolik blüht, erfüllt nicht nur ihn mit Sorge.