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Di | 26.11.2013
Gitanos, Flamencomusiker
23.9.2010
Gitanos, die Roma in Spanien
Wenn die in Spanien lebenden Roma Erfolg haben wollten, galt für sie bis vor wenigen Jahren die Regel: "O Camarón o ná". "Entweder Ihr werdet so berühmt wie der Flamenco-Sänger Camarón, oder Ihr werdet nichts", bedeutet dieser andalusische Grundsatz auf Deutsch.
Jahrhundertelang waren die Gitanos, wie die Roma in Spanien genannt werden, verfolgt und diskriminiert worden. Die Flamenco-Musik war lange Zeit der einzige Ausweg aus dem Elend.
Gruppe Gitanos Bailaores
Gitanos, Flamencomusiker
Angemessen akzeptiert
Aber heute, so meinen die Gitano-Verbände, werden die Roma in Spanien besser behandelt als in Frankreich, das Angehörige der Minderheit ausweisen lässt.

"In Spanien haben wir erreicht, dass wir in angemessener Weise akzeptiert werden", sagte Juan de Dios Ramírez Heredia, Präsident der Roma-Union. Er war 1977 als erster Gitano ins spanische Parlament und 1986 ins Europaparlament gewählt worden.
Gitanos in Spanien
"Erfolgreiches spanisches Model"
Spanien hat bei der Integration der etwa 700.000 im Land lebenden Roma beträchtliche Fortschritte erzielt. Manche Experten sprechen gar von einem "spanischen Modell", das in anderen Ländern Schule machen sollte.

"Meine Schüler und deren Eltern wissen alle, dass ich ein Gitano bin", berichtete der Mathematik-Lehrer Ricardo Borrull der Zeitung "El País". "Ich habe damit keine Probleme. Es gibt keine Vorurteile."
Erschießung durch NS-Soldaten
Opfer von Verfolgungen
Die Gitanos waren im 15. Jahrhundert aus Asien über Ägypten nach Spanien gekommen. Die Volksgruppe wurde im Laufe der Zeit immer wieder das Opfer von Verfolgungen und Vertreibungen. 1469 ordnete das Königshaus die Anpassung an spanischen Bräuche an. König Fernando VI. ließ 1749 seine Soldaten Jagd auf die Gitanos machen und 12.000 von ihnen festnehmen.

Die Franco-Diktatur (1939-1975) verfolgte die Angehörige der Minderheit wegen "Landstreicherei". Erst nach der Wiedereinführung der Demokratie sprach die Madrider Regierung den Gitanos das Recht auf Bildung zu und startete Programme zur Integration.
16 Prozent wohnen in Armensiedlungen
In Spanien haben fast alle Gitanos einen festen Wohnsitz. Die große Mehrheit lebt in normalen Wohnungen. 16 Prozent wohnen nach Angaben der Stiftung "Secretariado Gitano" in Baracken- und Armensiedlungen. Bis vor gut 30 Jahren waren es noch 78 Prozent.

Der Stiftungsdirektor Isidoro Rodríguez erklärte die Erfolge bei der Integration damit, dass man in Spanien die Gitanos als Bürger mit eigenen Rechten betrachte und nicht als eine kulturelle Sondererscheinung. "Es kommt darauf an, dass an erster Stelle die Lebensumstände verbessert werden", sagte Rodríguez der Nachrichten-agentur dpa.
Gitanos Hochzeit in Spanien
Gitanos in Spanien
Lebenserwartung geringer
Trotz der Fortschritte liegt aber auch heute noch vieles im Argen: Die Gitanos sind in Spanien nach wie vor eine benachteiligte Minderheit; ihre Lebenserwartung ist acht bis neun Jahre geringer als die der übrigen Spanier. Zwar besuchen mittlerweile fast alle Gitano-Kinder die Grundschule, aber ganz wenige gehen auf ein Gymnasium, und davon brechen 80 Prozent die Ausbildung vorzeitig ab.

Nur ein Prozent studieren an Universitäten. Nach einer Umfrage fühlen 42 Prozent der Gitanos sich abschätzig behandelt, wenn sie ein Schwimmbad, eine Diskothek oder einen Laden betreten. In einer Studie aus dem Jahr 2006 räumten 40 Prozent der Spanier ein, dass sie keine Gitanos als Nachbarn haben wollen.
In den vergangenen Jahren kamen etwa 50.000 Roma aus Rumänien nach Spanien. Sie leben unter erheblich schlechteren Bedingungen als die spanischen Gitanos. "Die Roma-Ausweisungen aus Frankreich haben auch eine positive Seite", meint Paco Pascual, der für eine kirchliche Hilfsorganisation in einer Madrider Gitano-Siedlung arbeitet. "Auf diese Weise kommt nun ans Licht, unter welchen Umständen die Roma leben müssen."