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 22.3.2010 |
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Stolipinovo: Hightech im Roma-Viertel
Stolipinovo ist das größte Roma-Viertel in der bulgarischen Stadt Plovdiv. Der niederösterrei-chische Energieversorger EVN hat das Viertel mit einem modernen Stromnetz ausgestattet und die Einbringlichkeit der Gebühren von zwei auf 85 Prozent gesteigert.
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Das Erfolgsrezept: Investieren, miteinander reden - und aus Fehlern lernen. |
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Stolipinovo ist ein Wort, das in Bulgarien jeder kennt. Es steht für Ausgrenzung, Armut, Elend, Kriminalität und Verwahrlosung; für eine Bevölkerungsgruppe, die überall mit Verachtung gestraft wird; für einen Stadtteil von Plovdiv, in dem geschätzte 50.000 "Cigani" leben. |
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Chaos und Gesetzlosigkeit herrschen in Stolipinovo. Zumindest sagen das jene, die von außerhalb kommen und nur einen flüchtigen Blick auf das Ghetto werfen. Das jahrzehntelange Ausgeschlossensein vom Rest der Gesellschaft hat beängstigende Züge angenommen: Müll wird durch das offene Fenster entsorgt, Abwässer und Fäkalien rinnen mangels Kanalisation einfach in die Kellergeschoße der desolaten Plattenbauten. Man sieht Männer, die apathisch im Abfall wühlen, während Frauen vor Holzbaracken hocken und Orangen, Zigaretten oder Waschmittel feilbieten.
Zwischen Schlaglöchern, die manchmal tief wie Baugruben sind, winden sich Straßenreste, auf denen klapprige Pferdefuhrwerke ebenso unterwegs sind wie die neuesten Luxusschlitten. Es heißt, wer einmal in Stolipinovo gestrandet ist, kommt so schnell nicht wieder raus. Die EVN ist nicht gestrandet, sie hat sich ganz bewusst angenähert. Es ging nicht anders.
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Als man 2005 die Stromversorgung von Plovdiv als neuer Mehrheitseigentümer übernahm, übernahm man auch die "Altlasten". Sprich: Eine völlig veraltete Elektrizitäts-Struktur im Roma-Viertel, kaum existente Zahlungsmoral und dadurch Außenstände in Millionenhöhe. Sinnbild für das gegenseitige Misstrauen waren die Stromzähler, die man in dreizehn Metern Höhe montierte, damit sie von den Bewohnern nicht manipuliert werden konnten. Allerdings war so auch ein Ablesen unmöglich - es hagelte Kritik von Anti-Diskriminierungs-Organisationen.
Die verfahrene Situation mündete schließlich in Demonstrationen jener Roma, die sehr wohl ihren Strom bezahlt hatten, aber dennoch im Dunkeln saßen. Denn für die gesamte Siedlung gab es nur einen zentralen Hauptschalter. Für die EVN stellte das auf Dauer keinen tragbaren Zustand dar. Deshalb wurde 2007 ein Projekt gestartet, das beide Seiten einander näher bringen sollte. "Am Anfang war es ganz schlimm, es gab viele Streitereien", erinnert sich Radostina Gadzheva von EVN Bulgaria.
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Sie war bei vielen Mediationsgesprächen dabei. "Es gab regelmäßige Treffen mit den Roma-Leadern, ein halbes Jahr hat das etwa gedauert", sagt Gadzheva. Dann begannen die Zahnräder der Kommunikation plötzlich ineinanderzugreifen. Parallel dazu investierte man fünf Mio. Lewa (2,56 Mio. Euro) in eine gänzlich neue Infrastruktur. Insgesamt wurden 187 Kilometer Stromnetz modernisiert, 17 Trafostationen umgerüstet und 6.300 Stromzähler montiert, die via Drahtlosverbindung fernabgelesen werden. Zusätzlich bot man Roma-Familien Beratungskurse an, in denen Haushaltsbudgets erstellt wurden.
Kalina Trifonova, Vorstandsmitglied der EVN Bulgaria, bringt das "sozioökonomische" Engagement des Konzerns auf den Punkt: "Der Aufbau von gegenseitigem Vertrauen war die Voraussetzung für den Erfolg dieses Projektes. Wo früher Vorurteile dominiert haben, sind mittlerweile Wertschätzung und Respekt im Umgang miteinander spürbar. Ein Kunde, der korrekt behandelt wird, bezahlt seine Rechnungen pünktlich und trägt damit zur Verbesserung der Versorgungssicherheit bei."
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Stolipinovo im März 2010: Schnee bedeckt die Müllberge, die Schlaglöcher sind randvoll gefüllt mit Schmelzwasser. Ein paar in Wintermäntel gehüllte Herren entsteigen weißen EVN-Golfs und tänzeln um die Lacken herum. Frauen aus der Siedlung gesellen sich zu ihnen. Beim Stromverbrauch, klagen sie, da stimme etwas nicht, der sei zu hoch. Doch die Proteste fallen eher halbherzig aus, es wird halt ein bisserl gejammert. Dann lächeln die Männer freundlich, öffnen einen Metallkasten und verweisen auf die Digitalanzeige. In Brusthöhe.
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Andreas Tröscher, APA
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