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Di | 26.11.2013
Lendvai Pál
"Ungarische Garde" schadet Ungarn
Die Medienpräsenz der paramilitärischen, rechtsextremen "Ungarische Garde", die immer wieder gegen die angebliche "Zigeuner-kriminalität" aufmarschiert, schade dem ungarischen Ansehen, hat sich Journalist Paul Lendvai am Sonntag im "Europastudio" des ORF-Fernsehens besorgt gezeigt.
Der Eindruck einer Radikalisierung entstehe. "Ich glaube nicht, dass das übertrieben dargestellt wird", meinte Ernst Gelegs, ORF-Korrespondent in Ungarn. Auch die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) zeigte sich in einer Aussendung über die "anhaltenden Angriffe und Hassreden" auf Roma und Sinti in Ungarn und anderen europäischen Ländern besorgt.
"große Zustimmung in der Bevölkerung"
Das Auftreten der "Ungarischen Garde" stoße in der Bevölkerung des Nachbarlandes auf große Zustimmung, so Gelegs. Die frühere rechtskonservativen Regierung unter Viktor Orban (1998-2002) habe ein Klima geschaffen, das heute eine tiefere Krise als die wirtschaftliche bedeute, sagte Gregor Mayer, dpa-Korrespondent in Budapest. 20 Prozent der Ungarn befürworteten Umfragen zufolge das Auftreten der Garde.
"Die Medien tragen viel dazu bei"
80 Prozent der Ungaren zeigen sich in Befragungen als gegen Roma eingestellt, ergänzte "Presse"-Korrespondent Peter Bognar. Gelegs erwähnte das Fehlen einer offiziellen Kriminalitätsstatistik, die belege, wer tatsächlich Verbrechen im Land begehe. Den Roma- und Sinti-Gemeinschaften werde gerade im Zuge aufkommender Probleme wegen der Finanzkrise verstärkt die schuld zugeschoben. "Die Medien tragen viel dazu bei", so die ungarische Journalistin Julia Varadi. Lendvai meinte, derartige Aufmärsche Rechtsextremer gäbe es in anderen Ländern nicht.
Roma und Sinti zu Südenböcken
Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise nehme die Gefahr zu, dass die Roma- und Sinti-Gemeinschaften zu Südenböcken für Probleme, für die sie nichts können, gemacht würden, warnte Janez Lenarcic, Leiter des Büros für demokratische Institutionen und Menschenrechte (ODIHR) der OSZE in einer Aussendung. Die jüngste Ermordung zweier Roma in Ungarn sei nur das jüngste Ereignis einer Reihe von Angriffen gegen die Minderheiten. Die Regierungen seien dazu angehalten die Sicherheit der Minderheiten zu gewährleisten, Gewaltakte zu verurteilen und Verantwortliche vor Gericht zu bringen. Die Identifizierung und Verfolgung von Straftätern sei jedoch selten erfolgreich.
Unzureichend finanzierte Programme
Ein ODIHR-Bericht von Oktober 2008 zeigt laut OSZE-Angaben, dass nur wenig Fortschritt erzielt worden sei, die Lücken zwischen Roma und Sinti und der Mehrheitsgesellschaft in den Bereichen Ausbildung, Wohnen, Beschäftigung und Zugang zu Sozialeinrichtungen sowie Justiz zu schließen. Aufgrund vereinzelter und unzureichend finanzierter Programme seien Verbesserungen für die Situation der Minderheitengruppe statt langfristig und nachhaltig, kurzfristig und eher symbolisch gewesen. 2003 hatten die OSZE-Länder einen Aktionsplan zur Verbesserung der Situation von Roma und Sinti angenommen.
"Giftcocktail"
Gelegs sprach, gefragt nach einer wirtschaftlichen oder politischen Krise in Ungarn, von einem "Giftcocktail" "vieler hausgemachter Probleme". Reformen würden aufgrund einer gegenseitigen Polarisierung und Blockade der Rechten und der Linken nicht vorankommen. Bognar sprach von einem "verwahrlosten" öffentlichem politischen Diskurs, etwa wenn gesagt werde der sozialistische Ministerpräsident Ferenc "Gyurcsany und seine Bande verbreite Aids" oder in Medien zu lesen sei, er sei ein Idiot.

"In allen Ländern gibt es einen Grundkonsens (konträrer Parteien) das Land voran zu bringen, das gibt es in Ungarn nicht", sagte Gelegs.

Die Diskussionsteilnehmer des "Europastudio" rechneten mit einem Sieg der Rechten und einer Wiederkehr Orbans als Premier.