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"Srebrenica - Notizen aus der Hölle"
Knapp 15 Jahre nach dem Friedensvertrag von Dayton knirscht es im Gebälk von Bosnien-Herzegowina. Die Zukunft des gemeinsamen Staates von Bosniaken (Moslems), Serben und Kroaten scheint ungewiss.
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Der bosniakische Spitzenpolitiker Sulejman Tihić sprach nach einem geplatzten Treffen zur Verfassungsreform apokalyptische Worte:
"Wenn wir uns nicht verständigen, bleibt nur die Option Krieg. Das will doch kein normaler Mensch!".
Hoffentlich, denn wie die "Option Krieg" in Bosnien in der Realität der Vergangenheit aussah, ruft ein neues Buch in Erinnerung: "Srebrenica - Notizen aus der Hölle". |
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"Notizen"
Verfasst wurde diese "Notizen" vom 1975 geborenen Emir Suljagić, der im April 1992 mit Tausenden anderen Muslimen Zuflucht in Srebrenica suchte. Überlebt hat er wahrscheinlich nur, weil er nach der Errichtung einer UNO-Schutzzone im Jahr 1993 von den Vereinten Nationen als Dolmetscher angeheuert worden war.
Dass die internationale Staatengemeinschaft in Srebrenica - vor allem in Form niederländischer Blauhelm-Soldaten - völlig überfordert war, ist nachhaltig bekannt. Schließlich konnte sie nicht verhindern, dass die bosnisch-serbische Armee unter Ratko Mladic die bosniakischen Enklave einnahm, Männer zwischen 12 und 72 Jahren von ihren Familien trennte und letztlich vermutlich an die 8000 Menschen massakrierte.
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Verhalten der "Internationalen"
Die Beschreibungen des Verhaltens der "Internationalen" ist eines der Themen des Buches, die beim Leser besondere Beklemmung hervorrufen. Fast noch mehr als die Schilderung von grausamsten Gewaltakten. Diese sind zwar in ihren Dimensionen (ein Beispiel unter vielen: "Die serbischen Soldaten hatten den Fahrer meines Schulbusses an eine Wand gestellt und waren mit dem Bus so lange in ihn hineingefahren, bis er starb...") unbegreiflich, überraschen in einem Kriegsbericht aber nicht besonders.
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Zensur der Post
Daher sind es etwa die Passagen über die Zensur der Post, die aus der Schutzzone hinaus durfte, die nachdenklich machen. Es waren nämlich nicht die Soldaten von Mladić, die den Korrekturstift ansetzten, erinnert sich Suljagic: "Jeder Brief ging vor Verlassen der Stadt durch eine strenge Zensur im städtischen Büro des Roten Kreuzes. Danach waren viele nicht wiederzuerkennen, ganze Abschnitte waren mit einem schwarzen Markierstift so gründlich durchgestrichen, dass absolut nicht zu lesen war, was darunter stand."
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"Unsere Wahrheit war keine Wahrheit für die Außenwelt"
"Unsere Wahrheit war keine Wahrheit für die Außenwelt", schlussfolgert der Autor, gab es doch einen bezeichnenden Index von verbotenen Wörtern, die immer durchgestrichen waren. "Ein ganzes kleines Wörterbuch, das tatsächlich das Wesen unseres Lebens widerspigelte: Armee, umgebracht, umgekommen, Četniks, erschossen, abgemetzelt, gefangen genommen, Hunger, Schwarzhandel, Verbrechen, Prostitution, Verzweiflung...".
Dabei, meint Suljagić, "konnte es gar keine Geheimnisse in diesen Briefen geben; in Srebrenica blieb nichts verborgen, und auf die gleiche Art, wie man alles verschwieg, wusste man alles". "Alles" umschließt etwa auch die Verstrickung von niederländischen UNO-Soldaten in Prostitution sowie Schiebereien vieler Art und vor allem die Gewaltexzesse der bosnisch-serbischen Soldateska, die in dem Massaker ihren blutigen Höhepunkt fand.
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Tatsachenbericht
Bei dem Buch handelt es sich um einen Tatsachenbericht, aus der Sicht eines Betroffenen und der Perspektive der muslimischen Opfer. Es ist aber dennoch etwas störend, dass der Autor oft einfach von "den Serben" schreibt. Vielleicht ist es gerade diese Unfähigkeit zur Differenzierung zwischen Soldaten, Mördern, Kriegsverbrechern und einer gesamten ethnischen Volksgruppe, die wenig Hoffnung aufkommen lässt, dass Bosnien-Herzegowina in seiner heutigen Post-Dayton-Form den inneren Frieden finden wird.
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Emir Suljagić: Srebrenica - Notizen aus der Hölle. Aus dem Bosnischen von Katharina Wolf-Grießhaber. Zsolnay Verlag, Wien 2009. 238 Seiten. 17,90 Euro. ISBN 3-552-05447-2; 978-3-552-05447-9 - |
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