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"Die Wohlgesinnten" |
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"Bruder Hitler" oder "Das Böse in uns"
Jonathan Littells Holocaust-Roman "Die Wohlgesinnten" wird viele Deutsche verstören, das ist schon wenige Tage nach Erscheinen der deutschen Ausgabe des französischen Bestsellers klar.
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Der "Banalität des Bösen" den Schleier des Vergessens wegzureissen, war ein Anliegen der 68er Jugend, "Verdrängung" war eine ihrer Lieblingsvokabeln. Heutigen Schriftstellern und Künstlern geht es aber nicht nur um die Darstellung der Täter, ihnen geht es auch um "das Böse in uns", den "Bruder Hitler". |
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"Die Mischung aus Intellektuellem und Henker ist kein Hirngespinst"
Auch die Kultur im "Land der Dichter und Denker" war kein Bollwerk gegen die Nazi-Barbarei, "es gibt sogar eine Nähe von Kultur und Barbarei", wie Littell in einem "Spiegel"-Gespräch sagte. "Die Mischung aus Intellektuellem und Henker ist kein Hirngespinst", die Weltsicht der Nazis habe "kulturelle Wurzeln" gehabt. Man könne Beethoven lieben und Goethes "Faust" gerne lesen "und trotzdem ein Unmensch sein".
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"Banalität des Bösen"
Hannah Arendt schrieb 1963 über die "Banalität des Bösen" nach ihrer Beobachtung des Eichmann-Prozesses in Jerusalem. Dort hatte sie den SS-Obersturmbannführer und "Organisator der Massenmorde" Adolf Eichmann nicht als grausames Ungeheuer und krankhaften Judenhasser, sondern als "Mann ohne jede Grundsätze und Moral" wahrgenommen.
So, wie es der 40-jährige gebürtige New Yorker Littell detailbesessen fortgeschrieben hat: Sein fiktiver Protagonist, der SS-Offizier Max Aue, "funktioniert" als Teil der Judenvernichtungsmaschine, ist homosexuell, ein Intellektueller und ein skrupelloser Bürokrat, der Völkermord als logistische und methodische Aufgabe begreift.
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Parallelen im Film
Filmemacher wie Hans-Jürgen Syberberg versuchten, sich zum Beispiel mit "Ekel Alfred" Heinz Schubert als Hitler und Himmler den "irrationalen Schichten der deutschen Volksseele" zu nähern ("Hitler, ein Film aus Deutschland"/1977).
Götz George erzählte 1977 in dem Film "Aus einem deutschen Leben" von Theodor Kotulla eine an die Biografie des Auschwitz-Kommandanten Rudolf Höss angelehnte "deutsche Geschichte".
Dani Levy irritierte erst jüngst mit seiner heftig umstrittenen, weil satirischen "wirklich wahrsten Wahrheit über Adolf Hitler" in "Mein Führer". Und eine Wahrheit wie die Tatsache, dass Günter Grass in seinen Jugendjahren gegen Ende des Krieges noch bei der Waffen-SS war, kam über die Deutschen wie eine eiskalte Dusche.
Aber da gab es vor allem in der Kunst auch immer noch ein "Herumwabern" einer unterschwelligen Verbindung von Macht und Sexualität, von Uniform, Faschismus und Sexismus, wie es viele in Filmen wie "Der Nachtportier" von Liliana Cavani (1974) oder Pasolinis "120 Tage von Sodom" von 1976 sahen.
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"Auch der Erfolg kann ein Schock sein"
In diesen Chor stimmt nun auch Littells dickleibiger Roman (1400 Seiten) über die fiktiven Lebenserinnerungen des schwulen SS-Offiziers Aue ein. Er hat heftige Kontroversen ausgelöst, vom totalen Verriss bis zum grössten Lob - "widerwärtiger Kitsch" oder "grosser Roman", noch nie habe ein Autor "so eindringlich die Perspektive eines Täters eingenommen", hiess es beispielsweise.
"Auch der Erfolg kann ein Schock sein", meint der aus einer jüdischen Familie stammende und in Frankreich aufgewachsene Littell. Sein Buch war in Frankreich schliesslich mit rund 800 000 verkauften Exemplaren ein Sensationserfolg und wurde mit dem angesehenen Prix Goncourt ausgezeichnet.
Der Kultursender Arte zeigt am nächsten Donnerstag die Dokumentation "Die Wohlgesinnten - auf den Spuren eines literarischen Phänomens".
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Von Wilfried Mommert, DPA |
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