Volksgruppen ORF.at Diversität
Di | 26.11.2013
KanakAttack - ORF, Schimmer
Türkei -gefährlich für christliche Priester
Der türkisch-protestantische Pastor Ramazan Arkan hat Glück gehabt. Ein Metallsuchgerät seiner Gemeinde und Ermittlungen der Polizei haben zum Jahreswechsel in Antalya einen Mordanschlag auf ihn verhindert.
Polizisten nahmen in der Stadt einen 22-jährigen Extremisten fest, der schon ein Attentat geplant hatte. Es wäre die jüngste Tat einer Serie von häufiger werdenden Anschlägen gewesen.
3000 türkische Protestanten
Arkan, der einer kleinen Gemeinde von 150 Gläubigen vorsteht, lebt und arbeitet nun vorerst unter Polizeischutz. Etwa 3000 türkische Protestanten gibt es im ganzen Land. "Der Mann hatte mich angerufen, um über den christlichen Glauben zu sprechen. Ich lud ihn ein. Er kam dann am 24. Dezember", sagt der Pfarrer. "Erst wollte er auf mich warten. Aber dann sah er das Metallsuchgerät am Eingang. Da änderte er seine Pläne." Fast gleichzeitig schickte die Polizei in Antalya Leibwächter für den Pastor, der erst nach einigen Tagen erfuhr, dass ein Anschlag auf ihn verhindert worden war.
Zunehmend ein gefährliches Pflaster
Die Türkei wird für christliche Priester zunehmend ein gefährliches Pflaster. Viele Türken waren schockiert, als ein 16-Jähriger Anfang 2006 in der türkischen Schwarzmeer-Stadt Trabzon den italienischen Priester Andrea Santoro beim Gebet in der Kirche hinterrücks erschoss. Der Mörder aber durfte wenig später in der Haft mit der türkischen Nationalflagge für "Heldenfotos" mit Polizisten posieren, wie türkische Zeitungen berichteten. Offensichtlich sympathisierten die Beamten mit der Tat.

Im Juli 2006 stach ein Mann in der türkischen Hafenstadt Samsun auf den französischen Geistlichen Pierre Brunissen ein. Im April 2007 wurden ein deutscher und zwei türkische Christen in der südosttürkischen Stadt Malatya gefoltert und ermordet. Im folgenden Monat kamen zwei Priester aus Georgien vergleichsweise glimpflich davon. Sie gingen mit auffälligen Kreuzanhängern auf einen Markt in Artvin im Osten des Landes und wurden verprügelt. Ein Messerstecher verletzte im Dezember in Izmir einen aus Italien stammenden Priester. Der 19-jährige gab vor, zum Christentum übertreten zu wollen.
"Verräter" und "ausländische Agenten"
Der verhinderte Attentäter von Antalya gab Hass auf den ihm persönlich nicht bekannten Pastor als Motiv vor. Christliche Priester und Missionare stehen bei Nationalisten im Verdacht, "Verräter" und "ausländische Agenten" zu sein, die die Türkei spalten wollen. Der in Antalya Festgenommene sagte zudem, er sei durch die umstrittene TV-Serie "Kurtlar Vadisi" (Tal der Wölfe) beeinflusst. Die Filme verkochen nationalistische Gefühle, Gewalt und Verschwörungstheorien zu einer Suppe, die wöchentlich Vorurteile bedient.
Junge, extremistische Nationalisten
Wie bei dem Mord in Malatya sind die Täter fast immer junge, extremistische Nationalisten. Unter Vorwänden suchen sie Kontakt zu christlichen Gemeinden, bevor sie zuschlagen. Einige Täter hatten zumindest engere Kontakte in den Sicherheitsapparat oder traten so auf, als würden sie von Hintermännern gedeckt. Türkische Medien kritisieren, dass die türkische Justiz die Hintergründe der Taten nicht ausreichend aufgeklärt hat.
Von Carsten Hoffmann/dpa