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Di | 26.11.2013
Buch über extremistische Gesinnungen "Der rechte Rand"
In der ersten Hälfte der 1990er Jahre erschien das vom Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (DÖW) herausgegebene "Handbuch des Österreichischen Rechtsextremismus" und Wolfgang Purtschellers "Aufbruch der Völkischen".
Nun ist ein neues Buch erscheinen - "Der rechte Rand": Das vom DÖW-Mitarbeiter Heribert Schiedel geschriebene Buch ist die längst überfällige Bestandsaufnahme zu den neuen Entwicklungen im Rechtsextremismus. Wenig überraschend steht dabei unter anderem der rechte Flügel der FPÖ im Blickpunkt.
Abgrenzungen zwischen den Begriffen
Schiedel ist selbst seit mehr als zehn Jahren mit dem Phänomen Rechtsextremismus im DÖW beschäftigt. Nicht zuletzt deshalb kennt er die Anfeindungen bis hin zu Drohungen, denen das Archiv, aber auch seine Person aus jenem Eck immer wieder ausgesetzt sind. Unschärfen gesteht er sich auch deshalb nicht zu.

Zunächst nennt er die Rechtsextremismus-Definition, welche die Basis für sein Buch bildet: Jene von Willibald I. Holzer. Dem Leser setzt er kurz die wesentlichsten Eckpfeiler auseinander, die Merkmale für eine rechtsextreme Gesinnung nach dieser Definition sind. Außerdem erklärt er die Abgrenzungen zwischen den Begriffen neonazistisch, rechtsextrem und rechtspopulistisch.
"Rein in die Legalität"
In "Der rechte Rand" wird auch die Entwicklung gezeichnet, welche die Szene nicht nur, aber auch mit Ausbruch des Briefbombenterrors genommen hatte. Anfang der 90er Jahre verstärkte sich der behördliche Druck auf die neonazistische Szene, etwa auf die militante VAPO, durch die Inhaftierung ihrer wichtigsten Kader. Die Szene antwortete unter anderem mit der Parole "Rein in die Legalität".
Vertreter der rechtsextremen Szene
Schiedel benennt Vertreter der rechtsextremen Szene von Gottfried Küssel über Andreas Thierry, Edmund Eminger bis zum Doyen der Szene, Herbert Schweiger, und beschreibt darüber hinaus die Reorganisation des Rechtsextremismus in Österreich sowie dessen Erneuerung, die eng mit Organisationen wie dem Bund freier Jugend (BfJ) oder Kameradschaften verbunden ist. Nicht zuletzt Gottfried Küssel betreibt wieder eine solche Kameradschaft, die er "Ferialverbindung Das Reich" oder "Sängerschaft Das Reich" nennt.
Beiträge des DÖW
Beiträge des DÖW zum rechten Flügel der FPÖ waren in der Vergangenheit mit folgenden Titeln überschrieben: "Zwischen Rechtsextremismus und Liberalismus" (1979), "Die FPÖ: Vom Rechtsextremismus zum Liberalismus?" (1981), und retour "Vom Liberalismus zum Rechtsextremismus" (1993). Schiedel nennt sein Kapitel zum Thema: "Die FPÖ: Zwischen Rechtsextremismus und Neonazismus?"
Wehrsport-Affäre
Der Autor beschäftigt sich in einer ausführlichen Analyse auch mit der sogenannten Wehrsport-Affäre um FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache. Ein Auszug aus dem Buch: "Es waren mutmaßlich österreichische Neonazis, die im Zorn und unter Nutzbarmachung der Feindschaft Strache-Stadler (Ewald, Anm.) der FPÖ-Führung einen Warnschuss vor den Bug verpassten."
Einblicke in das ideologische Innenleben
Der Autor stellt in weiterer Folge nicht nur den Ablauf der Affäre bis zur Drucklegung des Buches detailliert und hintergrundreich dar, sondern erläutert auch die innerparteilichen Probleme, die der Umgang mit der Causa mit sich gebracht hat. Nicht zuletzt thematisiert Schiedel, welche Einblicke in das ideologische Innenleben des rechten FPÖ-Flügels und in "die zunehmende Grenzverwischung zwischen organisiertem Rechtsextremismus und Neonazismus" gewährt wurden. Als Beispiel dafür nennt er verunglückte Verteidigungsversuche Straches, wie sie in Andreas Mölzers jüngstem Werk "Vogelfrei - Beiträge zur Radikalismusdebatte" zu lesen sind. Unter anderem nennt Mölzer Kontakte Straches "in den radikalen Bereich des nationalen Lagers", die sich "mit einer gewissen Zwangsläufigkeit" ergeben hätten.
Organisierter Rechtsextremismus
Schiedel bleibt aber nicht an der Affäre Strache kleben. Unter anderem listet er eine Fülle aktueller Kontakte von Funktionären des Rings Freiheitlicher Jugend (RFJ) in den organisierten Rechtsextremismus bis hin zum BfJ auf, von dem einige Mitglieder wegen Verdachtsmomenten nach dem Verbotsgesetz inhaftiert sind.

Bei aller klar darliegenden Intention des Autors enthält er sich großteils polemischer Untertöne. Nicht zuletzt deshalb ist das Buch Schiedels lesenswert und füllt eine in den vergangenen Jahren schmerzlich empfundene Lücke auf diesem Gebiet auf.
Heribert Schiedel: "Der rechte Rand. Extremistische Gesinnungen in unserer Gesellschaft", Edition Steinbauer, Wien 2007, 200 Seiten, 22,50 Euro,

ISBN 978-3-902494-25-2