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Di | 26.11.2013
David Irving - APA/Herbert Pfarrhofer
Holocaust-Leugner David Irving frei
Der britische Holocaust-Leugner David Irving ist seit heute wieder ein freier Mann. Das Oberlandesgericht Wien leistete der Berufung des 68-jährigen Folge.
Damit wurden zwei Drittel der dreijährigen Freiheitsstrafe, die Irving im Februar 2006 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung von einem Wiener Schwurgericht ausgefasst hatte, in eine bedingte Haftstrafe umgewandelt. Da Irving bereits über 13 Monate in U-Haft verbracht hat und diese Zeit auf den unbedingten Strafteil von einem Jahr angerechnet wird, ist er von Rechts wegen auf freien Fuß zu setzen.
Vorsitzender des Berufungssenats Lang zurückliegender Tatzeitraum
Wie Ernest Maurer, der Vorsitzende des Berufungssenats, in der Urteilsbegründung ausführte, komme im vorliegenden Fall dem "außerordentlich lang zurückliegenden Tatzeitraum" sowie "dem bisher untadeligen Wandel des Angeklagten" eine "ganz dominante Bedeutung" zu. David Irving hatte im Jahr 1989 bei Vorträgen in Wien und Leoben sowie in einem Zeitungsinterview die Existenz von Gaskammern im Dritten Reich bestritten sowie die Massenvernichtung der Juden angezweifelt.
"Tateinheit"
Für das Wiener Oberlandesgericht (OLG) lag im Unterschied zur Einschätzung von Oberstaatsanwältin Marie-Luise Nittel, die aus generalpräventiven Gründen eine höhere Strafe für Irving gefordert hatte, auch keine Tatwiederholung vor. Senatspräsident Maurer sprach von einer "Tateinheit", der britische Publizist habe "im engen zeitlichen Kontext einer Vortragsreihe" seine als nationalsozialistische Wiederbetätigung anzusehenden Thesen verbreitet.
Unter Berücksichtigung all dessen sei es möglich, einen Strafteil von zwei Jahren unter Setzung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachzusehen, zumal davon auszugehen sei, dass Irving nach seiner Enthaftung Österreich unverzüglich verlassen und nach England zurückkehren werde, stellte Maurer fest. Die neuerliche Begehung einer strafbaren Handlung sei daher "nicht zu vermuten".
Irving erfreut "Euer Ehren, danke schön!"
Dem 68-jährigen Briten, den die Oberstaatsanwältin zuvor als "Ikone der rechtsradikalen Szene" und "gefährliche Täterpersönlichkeit" bezeichnet hatte, war die Erleichterung ob dieser Entscheidung deutlich anzumerken. Nach der Urteilsbegründung bedankte er sich mit: "Euer Ehren, danke schön!" Anschließend forderte er von einer befreundeten Zuhörerin in seiner Muttersprache einen Kuss ein: "Now I get a kiss!"
Staatsanwaltschaft mit zweiten Verfahren
Dass die Staatsanwaltschaft Wien gegen David Irving bereits ein zweites Verfahren nach dem Verbotsgesetz führt, weil dieser nach seiner Verurteilung in erster Instanz in einem Interview zwei Journalisten neuerlich einschlägige Bemerkungen diktiert hatte, beeindruckte das Wiener Oberlandesgericht (OLG) nicht besonders. Der 68-Jährige hatte Anfang März 2006 einem "Presse"- und einem APA-Redakteur im Halbgesperre des Landesgerichtlichen Gefangenenhauses unter anderem versichert, Hitler sei "nicht zielbewusst gegen die Juden vorgegangen". Vielmehr gebe es "keinen Beweis für eine organisierte Massenvernichtung".
Senatspräsident Maurer - vor einigen Jahren von der FPÖ in den ORF-Stiftungsrat entsandt - qualifizierte diese Aussagen als "Reaktion unter dem Eindruck eines Schocks nach einer Verurteilung zu einer mehrjährigen Haftstrafe". Es handle sich dabei bloß um eine "Urteilsschelte".
Staatsanwaltschaft Entscheidung über Haftantrag
Die Staatsanwaltschaft Wien hat noch nicht entschieden, ob das zweite Verfahren "vor der Einstellung steht", wie Irvings Verteidiger Herbert Schaller behauptet hatte, oder neuerlich Anklage erhoben wird. Die Aus- bzw. Heimreise Irvings könnte die Anklagebehörde nur dann verhindern oder zumindest verzögern, wenn sie im Hinblick auf das offene Verfahren einen Haftantrag stellt, den ein Richter im Wiener Straflandesgericht genehmigen müsste. Über einen solchen Antrag werde sinnvollerweise vermutlich noch heute entschieden, gab ein Sprecher auf Anfrage der APA bekannt.
Verstoß gegen Verbotsgesetz
David Irving war seit 11. November 2005 in Wien im Gefängnis gesessen. Als er für einen Vortrag bei einer Burschenschaft nach Österreich einreiste, wurde er zu seiner Überraschung auf einem steirischen Autobahnabschnitt auf Basis eines Haftbefehls aus dem Jahr 1989 festgenommen. Der Vorwurf: Nationalsozialistische Wiederbetätigung. Irving hatte laut nunmehr rechtskräftigem Urteil bei zwei Vorträgen in der Bundeshauptstadt und in Leoben gegen das Verbotsgesetz verstoßen.
Der in rechtsextremen Kreisen geschätzte Schriftsteller hatte damals unter anderem öffentlich die Existenz von Gaskammern in Auschwitz und die Judenverfolgung unter Adolf Hitler in Abrede gestellt. Die November-Pogrome der so genannten Reichskristallnacht schrieb Irving als SA-Männer verkleideten Unbekannten zu. Hitler habe "seine Hand ausgestreckt, um die Juden zu schützen", tönte der Publizist. Er bot weiters jedem 1.000 englische Pfund, der ihm den Beweis liefere, "dass Hitler von Auschwitz gewusst hat."
Oberstaatsanwältin
Nittel
Worte "in keinster Weise" unterschätzen
In seinem Prozess vor Wiener Geschworenen gab sich der 68-Jährige im Februar 2006 dann als nach außen hin geläuterter, um Faktentreue bemühter Historiker, der grundsätzlich nicht mehr an den Gaskammern und der Massenvernichtung der Juden während der NS-Zeit zweifle, sich aber an "Einzelheiten" stoße. Zumindest die Staatsanwaltschaft und Oberstaatsanwältin Marie-Luise Nittel nahmen ihm diese Darstellung nicht ab, wie Nittel heute klarmachte. Irving sei "wie ein Idol, dessen Worte die Basis für die rechtsradikale Szene bieten". Seine Worte seien daher "in keinster Weise zu unterschätzen". Irving betreibe eine "echte Verhöhnung der Opfer des NS-Regimes", befand Nittel.