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Di | 26.11.2013
"La Mémoire des Enfants" Doku erinnert an deportierte Kinder
Der Deportation jüdischer Kinder unter dem französischen Vichy-Regime widmet sich die Dokumentation "La Mémoire des Enfants" (Das Gedächtnis der Kinder) der beiden Filmemacher Hannes Gellner und Thomas Draschan.
Material von Serge und Beate Klarsfeld Die Doku wurde gestern im Rahmen des Frankreich-Schwerpunkts der Jüdischen Filmwoche uraufgeführt. Ausgangspunkt der österreichisch-französischen Koproduktion ist Material der beiden bekannten Nazijäger und Historiker Serge und Beate Klarsfeld.
11.400 jüdische Kinder nach Auschwitz deportiert
11.400 jüdische Kinder wurden zwischen 1942 und 1944 aus Frankreich nach Auschwitz deportiert. Die Klarsfelds wollen, dass die Opfer zumindest in der Erinnerung an ihr individuelles Schicksal weiterleben. Dafür sorgen sie mit ihrem Archiv, und das leistet auch der Film. Ursprünglich habe Beate Klarsfeld ihm vorgeschlagen, einen Spielfilm über einen aus Wien stammenden Jungen zu drehen, der ins Kinderheim von Izieu in Frankreich kam, erzählte Gellner bei der Premiere. Im Zug der Recherchen sei das Thema aber so groß geworden, dass man sich für eine breiter angelegte Dokumentation entschieden habe.
Ermordete Kinder & Überlebende
"La Mémoire des Enfants" erinnert einerseits an ermordete Kinder und die Orte, an denen sie gelebt haben, und lässt andererseits ausgewählte Überlebende und Zeitzeugen zu Wort kommen. Zugleich ist der Streifen, der sich durch seine Nüchternheit, klare Bildsprache und seinen ruhigen Rhythmus auszeichnet, eine eindrückliche Begegnung mit dem politischen und aktivistischen Engagement von Beate und Serge Klarsfeld, dessen eigener Vater ermordet wurde, als er ein Kind war.
Mitwirkung des Vichy-Regimes an "Endlösung"
Dezidiert streicht der Film die Mitwirkung des Vichy-Regimes an der "Endlösung" der Nazis heraus. Die Deportation von Kindern erfolgte auf Initiative der französischen Behörden, ohne deutschen Auftrag. Auch zu Österreich gibt es eine Reihe von Querverbindungen. So ist unter den Überlebenden eine Frau österreichischer Herkunft, deren Eltern in einem vom Sozialdemokraten Ernst Papanek geleiteten Zentrum der französischen Kinderhilfe OSE arbeiteten. Sie wurde in einem Krankenhaus geboren, das dem Sammellager Drancy bei Paris angeschlossen war, und als Säugling deportiert.
Unter den Tätern Österreicher
Auch unter den Tätern waren Österreicher. Alois Brunner, in Wien Sekretär von Adolf Eichmann und ab 1943 Leiter von Drancy, war einer der berüchtigsten Judenverfolger in Frankreich. 24.000 Juden, darunter viele Kinder, ließ er in Todeslager verschleppen. Im ganzen Land ließ er Familien aufspüren und Kinderheime liquidieren. Ein von Serge Klarsfeld gefundener Brief von SS-Führer Klaus Barbie an Brunner, in dem er sich der Aushebung des Kinderheims von Izieu brüstet, führte letztlich zur Verurteilung Barbies, der 1971 noch in München für unschuldig befunden worden war. Das Verfahren gegen Brunner, der 2002 in Abwesenheit ebenfalls zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, war der letzte Kriegsverbrecherprozess in Frankreich.
Gellner und Draschan, Jahrgang 1969 und 1967, haben beide bei Peter Kubelka in Frankfurt studiert. "La Mémoire des Enfants" ist in Zusammenarbeit mit der Amour Fou Filmproduktion entstanden und auch auf DVD (Französisch mit englischen Untertiteln, 19,90 Euro) erhältlich.