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Di | 26.11.2013
Orhan Pamuk / dpa/dpaweb/dpa/A3471 Boris Roessler
Pamuk kritisiert Armenien-Gesetz
Der Träger des diesjährigen Literaturnobel-preises, Orhan Pamuk, hat das französische Gesetz zum türkischen Massaker an den Armeniern verurteilt.
Der türkische Schriftsteller und Dissident, der für Kritik an seiner eigenen Regierung bekannt ist, sagte gestern in einem Interview mit dem türkischen Fernsehsender NTV, das Gesetz widerspreche Frankreichs "Tradition des liberalen und kritischen Denkens".
Armenier-Völkermord
Die Pariser Nationalversammlung hatte am Donnerstag beschlossen, die Leugnung des Völkermords an den Armeniern vor 90 Jahren unter Strafe zu stellen. Der 54-jährige Schriftsteller stand in diesem Jahr wegen Beleidigung des "Türkentums" selbst vor Gericht, da er die offizielle Linie der türkischen Regierung zu dem Massaker hinterfragt hatte.
Er hatte in einem Interview bemängelt, dass es niemand in der Türkei wage, über die Tötung von mehr als einer Million Armeniern in der Zeit von 1915 bis 1923 zu sprechen. Nach internationalen Protesten wurde das Verfahren im Jänner eingestellt.
Gegen französischen Liberalismus
"Frankreich hat eine sehr alte Tradition des liberalen und kritischen Denkens, die mich beeinflusst hat und von der ich viel gelernt habe", sagte Pamuk. Die Entscheidung des Parlaments komme aber einem Verbot gleich und passe nicht zum französischen Liberalismus. Gleichzeitig rief der Nobelpreisträger seine Landsleute aber auf, die Bedeutung der Parlamentsentscheidung nicht zu überbewerten.
Empörung in der Türkei
Der türkische Parlamentspräsident hatte Pamuk aufgefordert, zu dem französischen Gesetz Stellung zu nehmen, dass in der Türkei auf große Empörung stieß. Die Regierung in Ankara drohte Frankreich mit wirtschaftlichen Gegenmaßnahmen.
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Gesetz "nicht hilfreich"
EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso bezeichnete das Gesetz als "nicht hilfreich". Die Frage müsse innerhalb der türkischen Gesellschaft behandelt werden und ein Bewusstsein dieser "sehr wichtigen und schmerzhaften Angelegenheit geschaffen werden", erklärte Barroso gestern in Helsinki.
Erdoğan & Sezer Keine offizielle Äußerungen
Wie heikel die Armenien-Frage in der Türkei ist, zeigt auch, dass sich weder Ministerpräsident Tayyip Erdoğan noch Präsident Ahmet Necdet Sezer offiziell zu der Vergabe des Nobelpreises an Pamuk am Donnerstag geäußert haben. Erdoğgan habe aber mit Pamuk gesprochen und ihm zum ersten Literaturnobelpreis für einen Türken gratuliert, sagte ein Regierungssprecher.