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Fünf Jahre nach 9/11 |
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Der Aufstieg des politischen Islam
In den fünf Jahren seit den Anschlägen in New York und Washington haben die USA den Extremismus verstärkt, den sie eigentlich bekämpfen wollten. Zugleich förderten sie den Aufstieg der moslemischen Religion zur führenden politischen Ideologie im Nahen Osten.
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Interessen der USA und Verbündeten Israel
Diese Beobachtung belegen Experten mit Meinungsumfragen und wissenschaftlichen Untersuchungen. Der politische Islam wird demnach in der arabischen Welt umso hingebungsvoller unterstützt, je enttäuschter die Menschen von korrupten Herrschern und einer Außenpolitik sind, die aus ihrer Sicht nur den Interessen der Vereinigten Staaten und deren Verbündeten Israel dient. |
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Religion und Extremismus
"Seit dem 11. September habe ich mich mit großen Meinungsumfragen in der moslemischen und arabischen Welt beschäftigt", sagt beispielsweise der in Dubai ansässige libanesische Experte Jihad Fahreddine. "Man kann die Entwicklung feindseliger Haltungen von damals bis heute genau verfolgen. Sie verstärken sich auf Besorgnis erregende Weise."
Fachreddine beobachtet, dass in der moslemischen Welt Religion und Extremismus immer enger zusammenrücken. "Davor wurden Gegensätze nicht als Konflikt zwischen dem Westen und dem Islam wahrgenommen", sagt er. Stattdessen hätten arabische Unabhängigkeitsbewegungen vor allem von nicht-religiösen, nationalen Ideen gelebt.
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Banner der radikal-moslemischen Al Kaida
Heute aber sammeln sich extreme Kräfte unter dem Banner der radikal-moslemischen Al Kaida. Sie werfen sich in einen religiösen Kampf gegen die mit den USA verbündeten Regierungen im Irak und in Saudi-Arabien oder verüben als angebliche Märtyrer Attentate in Marokko, Ägypten, Jemen und Jordanien.
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Tendenz
Die Tendenz ist demnach auch in anderen Bereichen zu beobachten: Die Moslembrüder, eine moderate islamistische Bewegung, haben vor kurzem bei der ägyptischen Parlamentswahl auffallend stark abgeschnitten.
Die radikal-religiöse Hamas entschied die erste Wahl in den Palästinensergebieten seit zehn Jahren wenig später klar für sich. Selbst die überregionalen Medien der arabischen Welt sind inzwischen stark von religiösen Wendungen geprägt.
Nationalisten wie Islamisten bezeichnen Osama bin Laden, den Drahtzieher der September-Anschläge, respektvoll als "Sheikh Osama". Auch säkulare Politiker freuen sich, wenn die Religiösen dem Westen in Medien wie dem Fernsehsender Al Jazeera die Stirn bieten.
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In die Arme der Islamisten
Die Experten sagen, es sei ausgerechnet die Reaktion der USA gewesen, die die Menschen nach den September-Anschlägen in die Arme der Islamisten getrieben habe. "Das amerikanische Vorgehen gegen den politischen Islam hat ironischerweise seinen Aufstieg befördert, sogar seine fanatischsten und extremsten Formen", sagt der im Libanon geborene Wissenschaftler As'ad AbuKhalil, der im US-Bundesstaat Kalifornien lehrt.
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Lösung für die Palästinenser
Die USA haben erklärt, ihr Ziel sei die Verbreitung der Demokratie in einer arabischen Welt, die den Bedürfnissen ihrer Bürger nicht gerecht werde. Damit marschierten sie im Irak ein und stehen im Nahost-Konflikt fest an der Seite Israels. Die öffentliche Meinung in der Region ist dagegen einig, dass erst eine Lösung für die Palästinenser den Schlüssel dafür liefert, die arabischen Probleme mit Demokratie und religiösem Extremismus zu lösen.
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"Krieg gegen den Terror" |
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"Krieg gegen den Islam"
"Moderate Moslems haben es derzeit schwer", sagt Jawad al-Anani, ein ehemaliger jordanischer Minister palästinensischer Abstammung. "Sie fühlen sich mit den Radikalen nicht wohl, können sich aber auch im Westen kein Gehör verschaffen." Das Gefühl, der "Krieg gegen den Terror" sei in Tat und Wahrheit ein Krieg gegen den Islam, sei weit verbreitet. "Und die Islamisten haben ein paar gute Argumente: Sie sagen, wir kämpfen gegen eure Feinde, die nichts tun, um eure Probleme zu lösen, die sich blind auf die Seite Israels stellen, die keinerlei Mitgefühl zeigen, wenn in Palästina oder im Irak ein Moslem getötet wird."
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"Gründe nicht religiöser Natur"
Der Aufstieg des politischen Islam begann aber lange vor dem 11. September 2001. Seine Wurzeln reichen den Experten zufolge tief in den säkularen arabischen Nationalismus hinein. Sie werden davon gespeist, dass dieser weder die westliche Dominanz zurückzudrängen noch - in Palästina - arabisches Land zurückzuholen vermochte. "Die ursprünglichen Gründe für den Aufstieg islamistischer Bewegungen sind nicht religiöser Natur", sagt AbuKhalil. "Es ging um Außenpolitik und den Kampf gegen Korruption und Tyrannei."
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Politischer Islam hat viele Ideen
Auch nach Einschätzung von Fred Halliday, Professor für Internationale Beziehungen an der London School of Economics, hat der politische Islam viele Ideen der nationalistischen Bewegungen aufgenommen. "Bin Laden sagt, die Staaten sind von Ausländern besetzt und haben das Recht, dagegen zu kämpfen. Bei ihm, bei der Hamas oder der Hisbollah kommen 80 Prozent der gesamten Rhetorik aus dem säkularen Nationalismus und wurden ans Religiöse angeglichen."
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"Der Islam ist die Lösung"
Die islamistischen Bewegungen bieten der moslemischen Welt ein neues Machtgefühl an. Sie halten dagegen, wenn ihre mit den USA verbündeten Regierungen behaupten, der Kampf gegen die von der Großmacht gewollte Weltordnung sei vergebens und die Palästinenser müssten sich mit Verhandlungen zufrieden geben. Ihr Slogan "Der Islam ist die Lösung" predigt: Das muss nicht so sein.
Der saudiarabische Geistliche Saleh bin Humaid fasste diese Stimmung vor wenigen Tagen in Mekka in die Worte: "Wir sind, so Gott will, die Zeugen einer Morgendämmerung, die der moslemischen Nation ein neues Selbstbewusstsein gibt ... Sie wird sich auf ihre Einheit, ihre Gemeinschaft und ihre eigene Politik verlassen - und nicht auf internationale Organisationen und Resolutionen."
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Von Andrew Hammond/Reuters |
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