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Di | 26.11.2013

Diskriminierung für US-Muslime Alltag
Seit dem 11. September 2001 ist für Muslime in den USA nichts mehr, wie es einmal war. Der Generalverdacht begleitet sie auf Schritt und Tritt.
Misstrauische Blicke, Verunglimpfungen, körperliche Angriffe und sogar willkürliche Verhaftungen gehören zu ihrem Alltag. Eine Besserung ist fünf Jahre nach den Anschlägen des Terror-Netzwerks von Osama bin Laden in den USA nicht in Sicht.
Vorurteile gegenüber Muslime
Er rechne mit einem weiteren Anstieg der Beschwerden über Verfolgung, Gewalt und Diskriminierung, sagt der Vorsitzende des Rats für amerikanisch-islamische Beziehungen (CAIR) in Michigan, Dawud Walid. Viele US-Bürger geben schließlich zu, dass sie Vorurteile gegenüber Muslime haben. Bei einer Gallup-Umfrage gaben dies kürzlich 39 Prozent der Befragten an; fast ein Viertel erklärte, keinen Muslime zum Nachbarn haben zu wollen.
Keine persönlichen Kontakte
Dabei würden die meisten Amerikaner keine Muslime persönlich kennen, betont Walid. Ihre Informationen bezögen sie aus den Medien, in denen sie unter anderem US-Präsident George W. Bush sehen müssten, wie er von "islamischen Faschisten" spreche. Diese Sprache sei bei politischen und religiösen Führern in den USA weit verbreitet, und die Auswirkungen seien enorm, sagt Walid.
Verhaftung wegen Handy-Kauf
So musste der 20-jährige Osama Abulhassan im vergangenen Monat eine Woche grundlos im Gefängnis verbringen. Sein angebliches Vergehen: Er hatte in einer Kleinstadt im US-Bundesstaat Ohio gemeinsam mit seinem Freund Ali Houssaiky Pre-Paid-Handys gekauft. "Ich wollte nicht glauben, dass sie uns wegen so etwas anklagen würden", sagte Abulhassan, der ebenso wie sein Freund in den USA geboren ist. Dann aber habe er begriffen, dass dies jedem Muslime hätte passieren können.
"Vertrauen in Justizsystem verloren"
Mit seinem "Air Jordan"-T-Shirt und seiner Puma-Baseball-Mütze sieht Abulhassan wie jeder andere College-Student aus. Der Sohn von Einwanderern aus dem Libanon hatte sich nach dem 11. September bereits daran gewöhnt, dass er angestarrt wird, wenn jemand seinen Vornamen ruft. Dass er aber wegen eines Handykaufs sein Fahndungsfoto in den Abendnachrichten, unterlegt mit Anschlagsbildern aus dem Irak, sehen würde - damit hatte er nicht gerechnet. Zwar wurden die Terrorismusvorwürfe gegen ihn nach einer Woche fallen gelassen, diese Erfahrung wird er dennoch nie mehr vergessen. Hass verspüre er nicht, schließlich sei er noch immer stolz, ein Amerikaner zu sein, betont der 20-Jährige. "Aber ich habe das Vertrauen in das Justizsystem verloren."
Hass-Emails
Auch Imam Sayed Hassan Al-Qazwini vom Islamischen Zentrum Amerikas macht seit fünf Jahren schlimme Erfahrungen. Die Hass-Emails nehmen kein Ende, ihre Heftigkeit schockiert ihn Tag für Tag aufs Neue. Ihm und seiner "Schweine-Bande" wird der Tod gewünscht, in einer anderen Mail heißt es: "Nach dem unheimlichen Anstieg des Islamo-Faschismus in den vergangenen Jahren widme ich nun mein Leben als Christ der Beseitigung des Islam und werde seine armen und fehlgeleiteten Anhänger hoffentlich bekehren."
Abgleiten in "Polizeistaat"
Doch größere Sorgen bereitet dem Iman das Vorgehen der Bush-Regierung. "Ich sehe die USA in einen Polizeistaat abgleiten - zumindest für uns Muslime." Und dann beginnt er Vorfälle aus Dearborn im US-Bundesstaat Michigan zu schildern, von denen Muslime oder Araber betroffen waren. Dazu gehört auch seine eigene sechsstündige Festnahme, weil er sich verfahren hatte und auf der Brücke nach Kanada gelandet war. "Es gibt ein Sprichwort: Die, die die Freiheit für Sicherheit opfern, verdienen keins von beiden." Und noch etwas gibt der Imam zu bedenken: "Wenn sich ein gemäßigter Muslime-Führer wie ich schon derart enttäuscht und bestürzt äußert und die amerikanischen Ideale aufgibt, können Sie sich vorstellen, wie andere amerikanische Muslime denken."
Mira Oberman/AFP