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Di | 26.11.2013
Deutsher Integrationsgipfel Die Minderheit meldet sich zu Wort
"Endlich wird die Politik nicht über die Migranten, sondern mit den Migranten über die Situation reden", freut sich der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde in Deutschland, Kenan Kolat.
Deutscher Integrationsgipfel
Beim Integrationsgipfel, zu dem Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) für morgen nach Berlin geladen hat, sitzen auch Migrantenverbände mit am Tisch. Für die rund 2,6 Millionen Bürger türkischer Herkunft in Deutschland sollen Vertreter von Elternvereinen, gesellschafts-politischen Verbänden und türkischen Medien zu Wort kommen. Sie bringen ihre Vorschläge, aber auch einige Erwartungen mit.
Türkische Gemeinde in Deutschland Frage der Partizipation
Kolat will beim Gipfel einen Bundesbeirat für Integration und Migration anregen. Zugleich will er strittige Themen neu aufrollen. Dazu zählen Einschränkungen im Familiennachzug oder das Verbot, zum deutschen Pass auch einen türkischen Pass zu beantragen. "Diese Gesetze sind für die Mehrheit gemacht worden, nicht für die Minderheit", kritisiert Kolat. Er wünscht sich, dass Migranten beteiligt werden an den Entscheidungen, die sie betreffen. "Gipfel für mehr Partizipation wäre der passende Titel gewesen", sagt er zum geplanten Treffen in Berlin. Für die Zuwanderer sei wichtig, dass ihre Anliegen anerkannt würden. "Integration ist keine technische Frage, sondern eine Gefühlsfrage", betont Kolat.
Deutsch-Türkisches Forum Identifikation mit deutscher Gesellschaft
Das sieht der Vorsitzende des CDU-nahen Deutsch-Türkischen Forums, Bülent Arslan, ähnlich. "Es ist unheimlich wichtig, dass die Bundeskanzlerin persönlich zu diesem Gipfel einlädt", sagt Arslan. Die Migranten hoffen seiner Ansicht nach auf die Botschaft, "dass die Politik und der Staat sich um sie kümmern". Zusätzlich müsse die Identifikation der Zuwanderer mit der deutschen Gesellschaft gefördert werden. Diese Bindung laufe in erster Linie über Personen ab: "Wenn wir in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft einen türkischstämmigen Spieler gehabt hätten, wäre die Identifikation der Türken mit ihr noch viel höher gewesen." Solche Bindungen müssten auch auf anderen gesellschaftlichen und politischen Ebenen entstehen.
Föderation türkischer Elternvereine Anpassung des Schulsystems an multikulturelle Gesellschaft
Nach Ansicht von Berrin Alpbek von der Föderation türkischer Elternvereine muss das Schulsystem an die Erfordernisse einer multikulturellen Gesellschaft angepasst werden. "Unsere zentrale Forderung ist, das Schulsystem in Deutschland von Grund zu erneuern", sagt die stellvertretende Vorsitzende der Föderation. Dazu müsse die Lehrerausbildung stärker das Thema Zuwanderung berücksichtigen. Außerdem sollte es mehr Angebote im Bereich der frühkindlichen Erziehung, der Kindertagesstätten und Ganztagsschulen geben, damit Kinder früh Deutsch lernen. Zugleich will Alpbek bei dem Gipfel dafür eintreten, dass auch die Muttersprachen der Migranten als zweite oder dritte Fremdsprache in der Schule unterrichtet werden.
Türkisch-Deutsche Gesundheitsstiftung Bildungspool für gezielte schulische Hilfe
Für den Mediziner Yaşar Bilgin liegen die Problemanalysen bereits auf dem Tisch. "Wir brauchen keine Bestandsaufnahme, es gibt Handlungsbedarf", sagt der Vorsitzende der Türkisch-Deutschen Gesundheitsstiftung. Bilgin, der auch dem Rat der Türkischen Staatsbürger in Deutschland vorsteht, will auf dem Gipfel für einen Bildungspool werben, aus dem gezielte schulische Hilfe für Migrantenkinder gefördert werden soll. Dazu sollten neben dem Staat auch die Migranten selbst Geld zur Verfügung stellen: "Wenn ich sage, mein Kind muss in der Schule erfolgreich sein, muss ich auch meinen Beitrag leisten".
Vertreter von "Hürriyet" & "Türkiye" mit dabei
Bei den Einladungen wurden die türkisch-islamischen Verbände weitgehend ausgeklammert. Dem Islam als Thema der Integrationspolitik soll ein eigenes Treffen gewidmet werden. Eingeladen wurden dagegen Vertreter der türkischen Tageszeitungen "Hürriyet" und "Türkiye". Die Deutschland-ausgaben der Massenblätter verstehen sich unter anderem als Sprachrohr für die Interessen der türkischstämmigen Bevölkerung. So schaltete die "Hürriyet" eine telefonische Hotline und forderte die Leser auf, ihre persönlichen Anliegen für den Integrationsgipfel mitzuteilen.
Andreas Gorzewski, AFP