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Di | 26.11.2013
Manfred Nowak
26.6.2013
Menschenrechte: Verlorenes Jahrzehnt
Vor 20 Jahren fand die Menschenrechtskonferenz der Vereinten Nationen in Wien statt. Seither habe sich "wahnsinnig viel positiv entwickelt", das vergangene Jahrzehnt ist für den Menschenrechtsexperten Manfred Nowak aber ein "verlorenes".
Mit dem Anschlag auf das World Trade Center am 9. September 2001 sei ein "massiver Rückschlag" in punkto Menschenrechte einhergegangen, sagte der frühere UNO-Sonderberichterstatter über Folter im APA-Interview. Dank Entwicklungen wie dem Arabischen Frühling oder Protestbewegungen wie Occupy sei aber eine "neue Aufbruchsstimmung" erkennbar.
9/11 & "Kampf gegen Terror" Menschenrechte "mit Füßen getreten"
Die Hauptverantwortung für den Rückschritt nach 9/11 trage die Regierung des damaligen US-Präsidenten George W. Bush, aber auch Russlands Präsident Wladimir Putin und andere seien mitverantwortlich. Durch die "Obsession mit dem Kampf gegen den Terror" sei "alles möglich geworden", seien Menschenrechte "mit Füßen getreten" worden, kritisierte Nowak. Auch die Umsetzung der UNO-Entwicklungsziele, die Millennium Development Goals (MDGs) sei davon überschattet worden. Von acht Hauptpunkten der MDGs, die bis 2015 umgesetzt werden sollen, wurde bisher kein einziger vollständig erfüllt.
Positive Entwicklungen
Vor allem in den 1990er-Jahren gab es nach Ansicht des Juristen aber auch zahlreiche positive Entwicklungen, "das war die Aufbruchsstimmung gegen Ende des Kalten Krieges". Auf institutioneller Ebene strich Nowak die Errichtung des Amtes des Hohen Kommissars für Menschenrechte (UNHCHR) sowie des Weltstrafgerichtshofes in Den Haag hervor, die eine gewisse Dynamik in die Menschenrechtsdebatte brachten. Um dies weiter voranzutreiben, wünscht sich Nowak eine dritte UNO-Konferenz zu Menschenrechten 2018, 25 Jahre nach jener in Wien.
Gewalt an Frauen als Menschenrechtsverletzung
Ergebnis der Wiener Konferenz vor 20 Jahren sei auch, dass die Gewalt gegen Frauen als Verletzung von Menschenrechten gilt, dass häusliche Gewalt oder Genitalverstümmelung thematisiert werden. Völlig neu sei auch die Verbindung von Menschenrechten und Entwicklung, das heißt die Implementierung von Menschenrechten in die Entwicklungszusammenarbeit (EZA). Gleiches gelte für transnationale Unternehmen, die zunehmend an Menschenrechte gebunden würden, so Nowak.
Österreich als Gastgeberland am Zug
Weil ein Weltmenschenrechtsgericht auch schon bei der UNO-Konferenz in Wien 1993 gefordert worden war, sieht Nowak Österreich als Gastgeberland nun am Zug. "Österreich täte gut daran, hier seine historische Verantwortung wahrzunehmen" und Druck auszuüben, um die Schaffung einer solchen Institution zu erwirken. Aber in Wien habe man "Angst, selbst vorzupreschen und unter den Pionieren zu sind.
UNO-Menschenrechtsrat Rolle Österreichs "sehr positiv"
Zur Rolle Österreichs im UNO-Menschenrechtsrat sagte Nowak, dass er anfangs "sehr skeptisch" gewesen sei", diese nun aber als "sehr positiv" bewerte. Seit Mai 2011 hat Österreich einen Sitz im höchsten Menschenrechtsgremium der Vereinten Nationen inne und stellt derzeit auch mit Christian Strohal den Vize-Präsidenten des Rates. Die Empfehlungen, die das Gremium an Österreich richtete, seien großteils akzeptiert und auch umgesetzt worden - bis auf die Errichtung einer unabhängigen, nationalen Menschenrechtsinstitution, für die sich Nowak im Rahmen der zivilgesellschaftlichen Konferenz "Vienna+20" in Wien erneut einsetzte.
Guantanamo-Gefangene aufnehmen
Nowak brachte erneut auch seine Hoffnung zum Ausdruck, dass sich Österreich zur Aufnahme von Gefangenen aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo bereit erklärt. Die Vienna+20-Konferenz morgen und Freitag in der Wiener Hofburg sei eine "sehr, sehr gute Gelegenheit" für Außenminister Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP), sich für die Aufnahme zumindest eines Gefangenen, des Algeriers Djamel Ameziane, der bereits drei Jahre als Flüchtling in Österreich verbrachte, auszusprechen. "Denn wir wissen, Ameziane ist unschuldig", begründete Nowak. Hinsichtlich der Schließung Guantanamos appellierte der Professor für Internationales Recht an der Uni Wien an die "Mitverantwortung der EU, diese Verletzungen der Menschenrechte und des internationalen Rechtsstaates zu einem Ende zu bringen".