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Di | 26.11.2013
Ausstellung
20.6.2013
"Holocaust als Comic": Darf man das?
Die vom Satiriker Kurt Tucholsky gestellte Frage "Was darf die Satire?" lässt sich ohne Weiteres auf die Ausstellung "Holocaust als Comic" oder Graphic Novel ummünzen - "darf man das?"
UniGraz@Museum Die Antwort von Ausstellungsmacher Ralf Palandt und den Kuratorinnen Daniela Kaufmann und Natalia Bauernhofer - die die Schau nach Graz geholt haben - lautet: ja. Comics gelten nicht mehr als belustigend und oberflächlich, Verlage haben sich zusehends der Darstellungsform in Gestalt der Graphic Novel angenommen - und viele der Geschichten haben die Erinnerungen von Überlebenden selbst als Grundlage des Erzählens - wie etwa die Geschichte des polnischen Juden Martin Gray, das in "Der Schrei nach Leben" von dem franko-belgischen Duo Gillon und Cothias visualisiert wurde. Die Schau wurde im Unimuseum Graz eröffnet.
"Der Himmel zwischen den Mauern"
Von der Originalschau wurde laut dem Kommunikationswissenschaftler Palandt einiges weggelassen, dafür wurde sie um die Graphic Novel "Der Himmel zwischen den Mauern" der steirischen Architektin und Grafikerin Hannelore Greinecker-Morocutti erweitert. Wie viele der Bild-Geschichten, die sich gänzlich oder in einem Handlungsstrang mit der Shoah beschäftigen, ist sie in schwarz-weiß gehalten und wirkt holzschnittartig. Darin erscheint das jüdische Mädchen Lea Weizenbaum einer Reisenden in einem Warschauer Hotel der Gegenwart, nimmt sie an der Hand und führt sie in das Warschauer Ghetto der 1940er Jahre.
Plakatbild der Wanderausstellung
Ralf Palandt sagte über das Plakatbild der Ausstellung - die zuvor auch in Berlin, München und Leipzig zu sehen gewesen ist -, dass es ein Freund von ihm nach der Vorlage einer französischen Briefmarke gestaltet hat - roter Hintergrund, Wachturm, Arme mit eintätowierter Nummer, Hände, die den Stacheldraht umfassen. Die franko-belgische Comic-Tradition hat in den 1960er und 1970er Jahren das Thema in Bildgeschichten aufgenommen, etwa in "Bruno Brazil" von Vance und Albert. Die deutsche Übersetzung machte aus Brazils Gegner, dem Nazi Schellenburg - unzweifelhaft an SD-Chef Walter Schellenberg angelehnt - einen Mafioso und retuschierte die entsprechenden Bilder.
"Superman" & "Captain America" gegen Nazis
Den Anfang machten die US-Amerikaner: "Superman" und "Captain America" kämpften in Propaganda-Strips gegen die Nazis und Hitler persönlich, "Superman" trifft dabei eine Gruppe Widerstandskämpfer, die aus einem KZ ausgebrochen sind. Ein spezieller Fall ist "Sergeant Fury", eine Schöpfung von Marvel Comics, der in "Triumph in Treblinka" bei einem Massenausbruch hilft.
Stellenwert von Comic als Infoquelle gestiegen
Der frühere Grazer Uni-Rektor und Zeithistoriker Helmut Konrad sagte bei der Eröffnung: "Holocaust und Comic - diese Begriffe sperren sich eigentlich". Aber der Stellenwert eines Comic als Infoquelle sei sehr gestiegen. Vor 20 Jahren wäre er vielleicht einer Darstellung des Holocaust in Comic-Form nicht zustimmend gegenübergestanden, aber "meine Kinder sind mit 'Maus' von Art Spiegelman groß geworden". So sei nun die Graphic Novel "Barfuß durch Hiroshima" im nächsten Jahr "Standardlektüre in einem meiner Seminare", so Konrad.
"Tobias Seicherl und Struppi"
In der Schau zu sehen ist eine österreichische Besonderheit: "Tobias Seicherl und Struppi", das aus der Feder von Ladislaus Kmoch floss und im sozialdemokratisch orientierten "Das Kleine Blatt" seit 1930 erschien, als Comic-Strips in Tageszeitungen in Europa noch eine ausgesprochene Rarität waren - im Gegensatz zu US-Blättern, die nicht ohne sie auskommen konnten. Seicherl, ein glühender Nazi aus Wien, aber im Gegensatz zu seinem Hund Struppi nicht sehr helle, gab seine Parolen in Wiener Dialekt von sich und fiel dabei immer wieder auf die Nase. Nach dem Bürgerkrieg 1934 wurde die Serie auf Druck der Vertreter des Ständestaates zusehends zu einem unpolitischen, lustigen Comic, nach dem März 1938 erschien "Seicherl" bis 1940 nur noch selten.
Die allermeisten Autoren und Zeichner bzw. Grafiker nähern sich dem Thema mit Behutsamkeit, nicht zuletzt weil Künstler wie Joe Kubert ("Yossel: April 19, 1943") oder Spiegelman selbst jüdischer Herkunft sind. Einen eher lockeren Zugang pflegten Zeichner und Autoren bisweilen in Italien. Mit "Colonello SS" findet ein in einem KZ angesiedelter Sado-Porno-Comic in der Schau Erwähnung, und auch die im deutschen Sprachraum eher in der Kategorie "Funnies" bekannten "Sturmtruppen - so war Papis Wehrmacht" gehen den Holocaust - allerdings nur in wenigen der Strips mit bis zu vier Bildern - respektlos.