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Di | 26.11.2013
Michikazu Matsune/David Subal : DANEBEN (3 Jahre später) / Foto: Florian Rainer
3.5.2013
Laborhafte Begegnung mit Asylwerbern
Unter dem Titel "Verschlusssache" widmen das brut Wien und das Don Bosco Flüchtlingswerk von 8. bis 10. Mai dem Thema Flucht und Vertreibung eine Veranstaltungsreihe.
"Daneben (3 Jahre später)" Anlass ist das zehnjährige Jubiläum des Flüchtlingswerks. Im Zentrum steht die Performance "Daneben (3 Jahre später)" von Michikazu Matsune und David Subal, eine Weiterführung jenes Kunstprojekts, das bereits vor drei Jahren Asylwerber in Österreich ins Rampenlicht rückte. "Zehn Jahre Flüchtlingswerk sind eigentlich kein Grund zum Feiern", sagt dessen Geschäftsführer Floridus Kaiser im Gespräch mit der APA.
Unbegleitete jugendliche Flüchtlinge diskriminiert
So unterstreiche das Jubiläum vor allem, "dass unbegleitete jugendliche Flüchtlinge immer noch diskriminiert werden gegenüber anderen Jugendlichen, die aus anderen Gründen vom Staat geschützt werden". Es gelte darüber nachzudenken, "warum diese Jugendlichen trotz der von Österreich unterschriebenen UN-Kinderrechtskonvention immer noch anders behandelt werden".
Was aus den Flüchtlingen geworden ist
Keinen direkten Einfluss auf die Veranstaltungsreihe hatte die Besetzung der Votivkirche in diesem Winter, Kaiser empfindet das Spannungsfeld jedoch als sehr bedeutungsvoll: "Sobald die Flüchtlinge diesen sakralen, touristischen, kulturellen Ort wieder verlassen hatten, interessierte sich keiner mehr für sie." "Daneben (3 Jahre später)" zeigt hingegen, was aus den Flüchtlingen der ursprünglichen Performance von 2010 geworden ist. Ihre Schicksale werden erneut auf die Bühne gebracht und öffentlich reflektiert. "Wenn soziale Arbeit in der Kunst diskutiert wird, eröffnen sich ganz andere Perspektiven", so Kaiser.
Medien Andere öffentliche Wahrnehmung
Als "Daneben" vor drei Jahren gezeigt wurde, gab es laut Haiko Pfost, gemeinsam mit Thomas Frank künstlerischer Leiter des brut Wien, ein sehr geringes mediales Interesse: "Das Asylthema war vollkommen von der Rechten belegt, sodass es wie eine Art Verbot erschien, darüber zu sprechen", so Pfost zur APA. Dass hinter den Flüchtlingen Individuen mit höchst unterschiedlichen Geschichten stecken, daran werde nicht gedacht. "So gesehen hat sich durch die Votivkirchen-Besetzung etwas in der öffentlichen Wahrnehmung verändert."
Leere Platz für die Verschwundenen
Von jenen 30 Akteuren, die damals an dem Projekt teilnahmen, konnte allerdings nur mehr die Hälfte wiedergefunden werden, wie die beiden erklären. "Die Hälfte wurde inzwischen entweder abgeschoben oder ist wirklich verschwunden", so Pfost. Dennoch kommen auch sie wieder vor. Ihre Plätze, an denen sie 2010 noch real standen, werden bewusst leer bleiben, ihre Geschichten kann man trotzdem lesen bzw. hören. Diese Konstellation deckt sich laut Kaiser auch mit den Erfahrungen, die er in seiner Arbeit gemacht habe: "Aus dem Bericht der Asylkoordination aus dem Jahr 2012 geht hervor, dass sich im Vorjahr 1.800 unbegleitete Kinder und Jugendliche in Traiskirchen befunden haben, von denen ebenfalls die Hälfte verschwunden ist – einige möglicherweise sogar in der Sklavenarbeit oder der Zwangsprostitution."
Skulpturale Performance Distanz überwinden
Im brut, wo im Rahmen von "Verschlusssache" auch Vorträge der Kunsttherapieexperten Peter Rech und Karl-Heinz Menzen, eine Paneldiskussion sowie die beiden Filme "Nowhere Here" von Margreth Olin und "Foreign" von Miriam Faßbender auf dem Programm stehen, geht es laut Pfost "um eine Blickkonstruktion": Jener Abstand, der bei anderen künstlerischen Arbeiten mit Flüchtlingen als Akteuren zum Publikum gewahrt wird, ist bei "Daneben (3 Jahre später)" aufgelöst. Bei der skulpturalen Performance müsse der Zuschauer "ganz nah ran". Er sitzt oder steht neben dem betreffenden Menschen, ohne ihn ansprechen zu können. "Man muss die Distanz überwinden und sich die Informationen, die auf Tafeln und anderen Medien präsentiert werden, selber holen", beschreibt Pfost das Konzept.
Unterschiedlichkeit eines jeden Schicksals
Die Begegnungen werden laut Kaiser sozusagen laborhaft erzwungen. "Keiner will sonst die wirklichen Geschichten hören. Wir wurden von der rechts-populistischen Politik in unseren Vorstellungen darüber diszipliniert, was ein Mensch erleiden musste, um als Flüchtling gelten zu dürfen. Was wir hier zeigen wollen, ist die Unterschiedlichkeit eines jeden Schicksals." So flüchten durchaus auch Jugendliche aus bürgerlichen Verhältnissen, die in ihrem Leben weiterkommen wollen: "Viele Leute wollen aber immer von Armut und Folter hören."