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Di | 26.11.2013
Luis Durnwalder - slika:orf
16.4.2013
Ende der Ära Durnwalder in Südtirol
15 italienische Regierungen hat der Südtiroler Landeshauptmann Luis Durnwalder politisch überlebt, im benachbarten österreichischen Bundesland Tirol amtierten während seiner Regierungszeit vier Landeshauptleute.
Vorwahl der Südtiroler Volkspartei am 21.4.2013 Nach 24 Jahren geht die Ära Durnwalder nun zu Ende. Die Landtagswahlen, bei denen der 71-Jährige nicht mehr antreten wird, sind zwar erst im Herbst, sein Nachfolger wird defacto aber bereits kommenden Sonntag in der Vorwahl der Südtiroler Volkspartei (SVP) zur Bestimmung ihres Spitzenkandidaten gewählt. Zuletzt hat das Image des populären Landesvaters zahlreiche Kratzer bekommen.
Eine der reichsten Regionen Europas
Fast ein Viertel Jahrhundert hat Durnwalder die autonome Provinz südlich des Brenners geprägt. In seiner Amtszeit ist Südtirol zu einer der reichsten Regionen Europas geworden. Die volksnahe und pragmatische Art sowie sein unermüdlicher Arbeitseifer trugen viel zur großen Popularität vom "Luis" - wie er meist nur genannt wird - bei, auch unter der italienischsprachigen Bevölkerung. Mehrmals konnte er bei Landtagswahlen über 100.000 Vorzugsstimmen für sich verbuchen.
Legendäre Sprechstunde um 6.00 früh
Legendär ist seine Sprechstunde, die er an fast jedem Wochentag um 6.00 Uhr früh abhält. Ab den frühen Morgenstunden versammeln sich dann nächtlich wartende Grüppchen vor dem Landhaus in Bozen, um nach stundenlangem Warten beim Landesvater persönlich vorzusprechen. Sei es wegen eines Stipendiums für den Sohn oder wegen einer Baugenehmigung: über die zuständigen Behörden hinweg pilgert man direkt zum Landeshauptmann. Kritiker warnten daher immer wieder vor Demokratiedefiziten und absolutistischen Zügen.
Auch der Arbeitseifer des Pustertalers ist bereits ein Mythos. Eine Seite seines über und über vollgeschriebenen Terminkalenders wurde prominent in der Süddeutschen Zeitung abgedruckt. Auch die Schwierigkeiten, welche seine Mitarbeiter mit dem Kalender haben, wurden erwähnt.
Ära Durnwalder Erneuerung, Öffnung & Aufschwung
Die Ära Durnwalder steht für Erneuerung, Öffnung und wirtschaftlichen Aufschwung, resümiert der Südtiroler Politologe an der Universität Innsbruck, Günther Pallaver, gegenüber der APA. Südtirol hat in dieser Zeit einen starken Modernisierungsschub erlebt und wurde zu einer der wohlhabendsten Provinzen Italiens. Zudem gelang es dem Pragmatiker Durnwalder nach der Streitbeilegungserklärung 1993, unter dem Schlagwort der "dynamischen Autonomie" die Rechte der Südtiroler weiter auszubauen. Auch das Verhältnis zwischen den drei Sprachgruppen in Südtirol hat sich während Durnwalders Amtszeit sichtlich gebessert. "Die wichtigsten Schranken wurden abgebaut," so Pallaver.
Ethnischer Proporz & getrennte Schulen und Vereine Kritiker für Öffnung starrer Systeme
Kritiker bemängeln, dass der strenge ethnische Proporz, nach dem alle öffentlichen Stellen vergeben werden, sowie das nach Sprachgruppen getrennte Schul- und Vereinswesen modernisiert gehören. Gegen eine Öffnung der starren Systeme hat sich die SVP unter Durnwalder jedoch stets verwehrt.
SEL-Affäre "System Durnwalder"
Erste Kratzer bekam das Bild des beliebten Machers Durnwalder mit dem Aufkommen der SEL-Affäre vor eineinhalb Jahren. Der Skandal um Unregelmäßigkeiten der landeseigenen Energiegesellschaft SEL bei der Vergabe einer E-Werk-Konzession zog in der Folge immer weitere Kreise. Energielandesrat Michl Laimer musste schließlich seinen Hut nehmen und wurde im Februar verurteilt. Immer öfter war nun in Medien von einem "System Durnwalder" zu lesen, da viele nicht glauben wollten, dass der Landehauptmann nichts von der Affäre gewusst habe.
Unregelmäßigkeiten beim Sonderfonds Ermittlungen wegen Amtsmissbrauch
Wegen möglicher Unregelmäßigkeiten beim Sonderfonds des Landeshauptmanns geriet Durnwalder in den vergangenen Monaten auch persönlich zunehmend in Bedrängnis. Im Oktober war bekannt geworden, dass der Staatsanwalt beim Rechnungshof wegen mutmaßlichem Amtsmissbrauch ermittelt hatte. Durnwalder war unter anderem vorgeworfen worden, Gelder aus dem jährlich mit 72.000 Euro ausgestatteten Fonds für private Zwecke verwendet zu haben. Der Landeshauptmann hat dies stets bestritten.
Politologe Änderung im politische Stil erwartet
Ändern wird sich nach der Ablöse Durnwalders im Oktober vor allem der politische Stil, meint der Politologe Pallaver. "Von der rationalen und legalen Ebene haben sich die Beziehungen zum Bürger in der Ära Durnwalder auf die persönliche und klientelistische Ebene verlagert", so die Einschätzung Pallavers, der kritisch von einer "Bittsteller-Demokratie" spricht. Beide Kandidaten um die Nachfolge - Gemeindenverbandspräsident Arno Kompatscher und SVP-Fraktionsführer Elmar Pichler Rolle - würden dagegen nicht für diese Konzentration auf eine Person stehen und im Stil daher "einen klaren Bruch" vollziehen. Bereits angekündigt haben beide am Wochenende die frühmorgendliche Bürgersprechstunde nicht fortführen zu wollen.