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Di | 26.11.2013
Österreich-Fahne / Foto: APA/Herbert Neubauer
6.3.2013
Kritik an Staatsbürgerschaftsentwurf
Breite Kritik setzte es in der Begutachtung für den von Staatssekretär Sebastian Kurz (ÖVP) ausgearbeiteten Entwurf des Innenministeriums für ein neues Staatsbürgerschaftsgesetz.
Vor allem der vorgesehene Einkommensnachweis als Voraussetzung für eine Einbürgerung und die neue Regelung für uneheliche Kinder werden als problematisch eingestuft.
Nach 6 Jahren Lebensunterhalt & Deutschkenntnisse
Dem Entwurf zufolge ist der Erwerb der Staatsbürgerschaft nach sechs Jahren grundsätzlich möglich, wenn die betreffende Person einen gesicherten Lebensunterhalt nachweisen kann und über Deutschkenntnisse auf Maturaniveau (B2-Level) verfügt. Nowendig ist dafür ein Einkommen von durchschnittlich rund 1.000 Euro pro Person und Monat. Verfügt der Bewerber nur über Deutschkenntnisse auf Mittelschulniveau (B1-Level), kann er ebenfalls nach sechs Jahren die Staatsbürgerschaft bekommen, allerdings muss er dann eine nachhaltige persönliche Integration nachweisen. Er muss sich dafür zumindest drei Jahre lang gemeinnützig engagiert haben.
Nach 10 Jahren Zweite Stufe
In der zweiten Stufe ist der Erwerb der Staatsbürgerschaft nach zehn Jahren möglich. Dafür reichen die (auch für den Erhalt nach sechs Jahren geltenden) Kriterien der Unbescholtenheit, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Sprachkenntnisse auf Mittelschulniveau sowie ein erfolgreicher Staatsbürgerschaftstest. Wer all diese Kriterien nicht erfüllt, soll auch die Staatsbürgerschaft nicht bekommen.
Anerkennung der Vaterschaft Unterschied ob vor oder nach der Gebut
Mit dem Entwurf sollen auch uneheliche Kinder mit österreichischem Vater und ausländischer Mutter Anspruch auf die Staatsbürgerschaft haben. Die derzeit bestehende Diskriminierung, dass uneheliche Kinder, bei denen nur der Vater die Staatsbürgerschaft besitzt, keinen Anspruch haben, wird beseitigt. Allerdings wird hier ein Unterschied gemacht, ob die Anerkennung der Vaterschaft vor oder nach der Geburt erfolgt. In erstem Fall bekommt das Kind die Staatsbügerschaft automatisch, in zweitem ist ein vereinfachtes Verleihungsverfahren vorgesehen.
"Verfassungsrechtlich bedenklich"
Für den Verfassungsdienst im Kanzleramt gibt es keine sachliche Rechtfertigung für diese Unterscheidung. Außerdem hält es der Verfassungsdienst für fraglich, ob eine gerichtliche Feststellung der Vaterschaft vor der Geburt überhaupt zulässig und möglich ist. Auch das Sozialministerium, das den Entwurf mit Kurz ausverhandelt hat, hält diese Regelung für "verfassungsrechtlich bedenklich". Amnesty International sieht diese "unsachliche Ungleichbehandlung" im Widerspruch mit der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte.
Auch die Caritas, die Grünen, die Vorarlberger Landesregierung, der Fachverband der Standesbeamten und die Kinder- und Jugendanwaltschaften kritisieren diese Regelung. Letztere fordern zudem, dass die erleichterte Einbürgerung für erst nach der Geburt vom Vater anerkannte uneheliche Kinder sowie für Adoptivkinder nicht erst ab dem 18. sondern schon ab dem 14. Lebensjahr gelten soll.
Kritik an Einkommensnachweis
Massive Kritik gibt es auch an dem Plan, die Verleihung der Staatsbürgerschaft an ein Einkommen von durchschnittlich 1.000 Euro zu knüpfen. Das Land Steiermark befürchtet, dass sich die Einkommenserhebung "sehr aufwendig" gestalten und zusätzliche Verwaltungskosten verursachen wird. Tirol kritisiert, dass "völlig unklar ist, wie die Berechnung erfolgen soll".
Bestimmte Gesellschaftsgruppen ausgeschlossen
Die Grenze von 1.000 Euro halten u.a. die in der IG Autoren vereinten Künstler, Amnesty International, SOS Mitmensch, die Caritas, das Beratungszentrum für Migranten und die Grünen für realitätsfern. Damit würden bestimmte Gesellschaftsgruppen wie sozial schwächere Personen, Alleinerzieherinnen oder Arbeiterinnen von vornherein vom Zugang zur Staatsbürgerschaft und damit von der politischen Mitbestimmung ausgeschlossen, kritisieren sie einhellig.
Nach sechs Jahren nur für wenige Menschen
Die Menschenrechtsorganisationen, die Caritas und die Grünen kritisieren außerdem, dass nach sechs Jahren nur sehr wenige Menschen die Staatsbürgerschaft bekommen werden, weil Deutschkenntnisse auf Maturaniveau oder dreijährige gemeinnützige Tätigkeit nicht viele leisten könnten.
Doppelstaatsbürgerschaft gefordert
Eine Ausweitung der Möglichkeit zur Erlangung einer Doppelstaatsbürgerschaft fordern die Wirtschaftskammer, die Caritas, SOS Mitmensch und das Beratungszentrum für Migranten.