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Di | 26.11.2013
Philipp Rösler / Foto: EPA
8.2.2013
Eklat nach Aussagen über Rösler
In Deutschland hat Hessens FDP-Landesvorsitzender Jörg-Uwe Hahn (FDP) die Akzeptanz von FDP-Chef Philipp Rösler als Vizekanzler wegen dessen vietnamesischer Herkunft infrage gestellt und damit einen Sturm der Empörung ausgelöst.
"Bei Philipp Rösler würde ich allerdings gerne wissen, ob unsere Gesellschaft schon so weit ist, einen asiatisch aussehenden Vizekanzler auch noch länger zu akzeptieren", sagte Hahn, der auch Vize-Ministerpräsident und Integrationsminister in Hessen ist, gestern der "Frankfurter Neuen Presse".
"Rassismus in Reinkultur"
Die Opposition reagierte mit Kritik und massiven Vorwürfen: "Stillose Entgleisung", "allerunterste Schublade des politischen Machtkampfs" und "völlig inakzeptabler Formulierung" hieß es bei SPD, Grünen und Linkspartei. Der Grünen-Politiker Omid Nouripour hat die Äußerungen des stellvertretenden hessischen Ministerpräsidenten Jörg-Uwe Hahn als rassistisch bezeichnet. Die Linke im Bund forderte Hahns Rücktritt. Parteichef Bernd Riexinger warf Hahn "Rassismus in Reinkultur" vor. Hessens Grünen-Fraktionschef Tarek Al-Wazir kritisierte, der FDP-Politiker habe eine völlig inakzeptable Formulierung gewählt.
Jörg-Uwe Hahn Kein Angriff
Hahn sieht in seiner Aussage über die Herkunft von Parteichef und Vizekanzler Philipp Rösler keinen Angriff. "An seiner Kompetenz als Vizekanzler und Parteivorsitzender habe ich keine Zweifel", sagte er laut einer Mitteilung getsern in Wiesbaden. "Meine Äußerung ist keinesfalls ein Angriff auf Philipp Rösler."
Hinweis auf "unterschwelligen Rassismus
Hahn sagte: "Ich habe darauf hinweisen wollen, dass es in unserer Gesellschaft einen weit verbreiteten, oft unterschwelligen Rassismus gibt." Dieses gesellschaftliche Problem dürfe nicht totgeschwiegen, sondern müsse offen angesprochen werden, um es zu bekämpfen. "Wer in meine Äußerung etwas anderes als dies hineinliest, versteht mich falsch."
Personaldebatte & Sexismus-Debatte
Die Liberalen hatten erst vor wenigen Wochen die Personaldebatte um ihre Parteispitze beendet und neben Rösler Fraktionschef Rainer Brüderle als Spitzenkandidaten für die deutsche Bundestagswahl bestimmt. Dann warf eine Journalistin Brüderle anzügliche Äußerungen vor und löste damit eine Sexismus-Debatte aus.
Rainer Brüderle Bambus vs. Eiche
Brüderle hatte im Mai 2012 auf einem Parteitag in Hessen mit einer Bemerkung in Richtung des Parteichefs für Aufregung gesorgt: "Glaubwürdigkeit gewinnt man, indem man nicht wie Bambusrohre hin und her schwingt, sondern steht wie eine Eiche." Der in Vietnam geborene Rösler hatte sich bei seiner Antrittsrede als Parteichef so charakterisiert: "Der Bambus wiegt sich im Wind und biegt sich im Sturm, aber er bricht nicht."
Reaktionen anderer Parteien "Stillose Entgleisung"
Grünen-Politiker Al-Wazir fragte nun: "Könnte es sein, dass ein Teil des Akzeptanzproblems von Philipp Rösler in der FDP auch seine vietnamesische Herkunft ist?" Der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion, Günter Rudolph, betonte: "Dass Herr Hahn infrage stellt, ob unsere Gesellschaft einen "asiatisch aussehenden Vizekanzler" noch länger akzeptiert, ist eine stillose Entgleisung." Die Äußerung unterstelle den Menschen eine fremdenfeindliche Neigung. "Sie zeigt auch, dass der Integrationsminister selbst offenbar rassistische Tendenzen hat."
"Fehlbesetzung" als Integrationsminister
Linken-Fraktionschefin Janine Wissler sagte: "Hahn greift mit seiner Anspielung auf Philipp Röslers Aussehen in die allerunterste Schublade des politischen Machtkampfs". "Als Hessischer Minister für Integration erweist sich Hahn damit als offensichtliche und unerträgliche Fehlbesetzung."
Adoptivkind
Philipp Rösler wurde während des Vietnamkrieges als Findelkind von Nonnen aufgenommen. Seine deutschen Eltern adoptierten den heutigen deutschen Wirtschaftsminister, Vizekanzler und FDP-Chef aus einem katholischen Waisenhaus nahe Ho-Chi-Minh-Stadt. Neun Monate nach seiner Geburt kam Rösler 1973 mit seinen Adoptiveltern, die bereits zwei leibliche Töchter hatten, nach Deutschland. Als Rösler vier Jahre alt war, trennte sich das Paar. Er wuchs allein bei seinem Vater auf, einem Berufssoldaten der Bundeswehr.
Keine Vertrautheit in Vietnam
Als er 2006 das erste Mal Vietnam besuchte, habe er keine Vertrautheit empfunden, sagte Rösler der Nachrichtenagentur dpa im September 2012. Er habe sich wie jeder gefühlt, der in Bückeburg und Hannover aufgewachsen sei, dort Familie und Freunde habe und zum ersten Mal nach Vietnam fahre. Seine asiatische Seite beschränke sich vornehmlich auf sein Äußeres. "Ich beherrsche weder asiatische Kampfsportarten noch esse ich regelmäßig asiatisch", sagte er im vergangenen Jahr in einem Interview auf "Spiegel Online".