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 30.1.2013 |
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Von Tabu- und Ehebrüchen
Wo genau das Genre "Ehrenmordkomödie", das gestern im Wiener Nestroyhof das Licht der Bühnenwelt erblickte, gattungsmäßig anzusiedeln sein wird, ist nach dieser Uraufführung noch nicht ganz entschieden.
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Ibrahim Amir |
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"Habe die Ehre"
Autor Ibrahim Amir setzt in seinem Stück "Habe die Ehre" auf Elemente von Familiendrama wie Boulevardkomödie, Regisseur Hans Escher ließ bei seiner Umsetzung mehr Elemente der Sitcom als der Farce erkennen und mangels Mut und Tempo Assoziationen zu den trashigen Gewaltorgien von Quentin Tarantino erst gar nicht aufkommen. Dass hier jedoch etwas Bemerkenswertes versucht wurde, nämlich ein todernstes Thema, bei dem die meisten Betroffenen keinen Spaß verstehen, mit Frechheit und Humor zu behandeln, wurde vom Premierenpublikum mit viel Applaus quittiert.
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Familiärer Ehrbegriff
Ibrahim Amir, 28-jähriger syrischer Kurde, der in Wien sein Medizinstudium gemacht hat und sich neben seinem Turnus als Autor versucht, handelt die Tragödie des familiären Ehrbegriffs, den es mit Blut zu verteidigen gilt, im Wohnzimmer ab. Aus der Konstellation der fremdgehenden Ehefrau, deren Ehebruch nicht nur den Mann, sondern auch Vater, Mutter, Bruder und Schwiegervater angeht, hat er eine überdrehte Komödie gemacht, in der Absurdes durch Übersteigerung erst kenntlich gemacht wird: Jeder will die im Nebenzimmer festgesetzte "Hure" umgebracht wissen - aber keiner will es selbst tun. Auch nicht der betrogene Ehemann, der sich rühmt, den Nebenbuhler mit zwei Schüssen in die Brust ins Jenseits geschickt zu haben, doch seltsamerweise in Ohnmacht fällt, wenn die wie eine heiße Kartoffel herumgereichte Pistole einmal losgeht. |
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Postmigrantische Jugend
Ausstatter Renato Uz reduziert den notwendigen Realismus auf ein Minimum und stellt ein paar Möbel vor eine mit knallroter Rückwand versehene Breitwandbühne, die gleich die Richtung vorgibt: Hier geht es, so knallig und grell wie möglich, um Effekt, nicht um Tiefgang. In der lieben Familie ist neben der hoch präsenten, in den stillen Widerstand geflüchteten Mutter von Tania Golden vor allem die postmigrantische Jugend deckend besetzt: Marcel Mohab als betrogener Ehemann, der nichts dabei findet, längst selbst eine Geliebte zu haben, und Boris Popovic als intellektueller Bruder, dem die ganze Sache zutiefst zuwider ist, überzeugen mehr als die Väter (Michael Smulik und Erol Ünsalan), die kaum Autorität und Druck erzeugen und zu sehr selbst als Getriebene wirken.
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Experiment gelungen
Sehr schöne Auftritte typisch Wiener Polizisten bringen Kottan-Stimmung und Slapstick-Elemente ein, und schließlich sorgt auch manch überraschende Wendung inklusiver Schlusspointe dafür, dass die 70 Minuten der Aufführung wie im Flug vergehen. Das im Rahmen des interkulturellen Autorentheaterprojekts "Wiener Wortstätten" entstandene Experiment ist gelungen. Jetzt sollte es eine Ehrensache sein, nach geeigneten Spielstätten für diese "Ehrenmordkomödie" zu suchen um ein Publikum zu erreichen, dem manches der so überdreht wirkenden Handlung nur allzu bekannt vorkommen könnte.
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"Habe die Ehre" von Ibrahim Amir - eine Produktion der Wiener Wortstätten in Kooperation mit Theater Nestroyhof Hamakom,
Weitere Vorstellungen:
31. Jänner, 1., 2., 6.-9., 13.-16. Februar 2013 Theater Nestroyhof Hamakom, Nestroyplatz 1, 1020 Wien
Karten: 01 / 8900 314
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