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Di | 26.11.2013

Kriegsverbrechen in Bosnien und Kroatien
Die Verurteilung des früheren serbischen Top-Militärs Perišić wegen Kriegsverbrechen in Bosnien und Kroatien durch das UN-Tribunal stellt eine Bedrohung für Serbien dar. Erstmals wird dokumentiert, wie tief Belgrad in diese Kriege verwickelt war.
"Jugoslawien (Serbien und Montenegro) hat an diesem Krieg nicht teilgenommen", war das Credo des früheren serbischen Autokraten Slobodan Milošević über den Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina (1992-1995). Doch jetzt hat das UN-Tribunal in Den Haag, in dem Milošević noch vor seinem Urteil an Herzinfarkt gestorben war, nachgewiesen, wie tief Serbien in die Kriegsverbrechen dort verstrickt war. Der Top-Militär von Milošević, Generalstabschef Momčilo Perišić, muss dafür für 27 Jahre ins Gefängnis.
"substanzielle" Hilfe für Kriege in Bosnien und in Kroatien
Klarer denn je ist jetzt amtlich, wie sehr Serbien seine Landsleute in Bosnien im Krieg unterstützt hatte: mit Offizieren und Soldaten, Munition und Waffen, Ersatzteilen, Training und Logistik sowie mit Geld und medizinischer Versorgung der Truppen. Ohne diese "substanzielle" Hilfe seien die Kriege weder in Bosnien noch in Kroatien möglich gewesen, zeigte sich das Gericht überzeugt. Jetzt wird belegt, was politisch schon immer offensichtlich war: Das Serbien Miloševićs war der Planer und wichtigste Akteur dieser Kriege.
"Anstiftung und Mithilfe"
Das bedeute im Klartext, dass Belgrad die vielen Kriegsverbrechen in Sarajevo, Srebrenica und Kroatien erst ermöglicht habe, heißt es im Perišić-Urteil. Auch wenn die direkte Kommandogewalt von Perišić über die von ihm entsandten jugoslawisch-serbischen Soldaten und Offiziere nicht nachgewiesen werden konnte, sah das Gericht doch seine Schuld in der "Anstiftung und Mithilfe" an Mord, "ethnischen Säuberungen" und "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" in Gestalt muslimischer Zivilisten.
Völkermordverfahren
Was das für die Völkermordverfahren gegen Serbien vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) bedeutet, ist noch schwer abzuschätzen. 2007 hatte der IGH als höchste Justizinstanz der Vereinten Nationen Serbien im Fall des Massakers an 8000 muslimischen Männern und Jungen in Srebrenica von der Anklage des Völkermordes freigesprochen. Die gleichzeitig Klage Sarajevos auf 100 Milliarden Dollar Schadensersatz war damit ohne Rechtsgrundlage. Ob im Licht des Perišić-Urteil dieses Verfahren noch einmal aufgenommen wird, ist bei Justizexperten umstritten.
Genozidklage Kroatiens gegen Serbien
Aber auch die 2008 vom IGH zugelassene Genozidklage Kroatiens gegen Serbien dürfte durch das neue Urteil befeuert werden. Und dann laufen noch vor dem UN-Tribunal die Prozesse gegen die beiden wichtigsten Akteure im Bosnienkrieg: Gegen Radovan Karadžić als politischen und Ratko Mladić als militärischen Führer der bosnischen Serben. Wenn beide Angeklagten nachweisen, dass sie nur das Werkzeug des fast allmächtigen Milošević in Belgrad gewesen sind, wird es für Serbien eng.
Absprache mit Milošević und Mladić
Das Tribunal hat im jüngsten Urteil schon mal festgehalten, dass der verurteilte General Perišić in enger Absprache mit Milošević und Mladić gehandelt habe.

Sollte sich diese Beweislage verfestigen, wäre Serbiens internationaler Ruf gefährdet und der ohnehin kriselnden Wirtschaft drohte durch Schadensersatzforderungen in dreistelliger Milliardenhöhe der Ruin.
Von Thomas Brey, dpa

UN-Tribunal: http://dpaq.de/87vkL