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Di | 26.11.2013
Karl-Franzens-Universität Graz
Migration und Bildung
Als Reaktion auf das schlechte Abschneiden der österreichischen SchülerInnen bei den Pisa-Studien wurde mit Herbst 2010 auch hierzulande die "zentrale Lernstandsüberprüfung" in Form der Bildungsstandards eingeführt.
Kritik an der Methode übt Ass.-Prof. Dr. Rudolf Muhr vom Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz: "Die Tests funktionieren nicht einmal in der Theorie, da sprachliche Defizite von Kindern nicht-deutscher Muttersprache keine Berücksichtigung finden."

Gemeinsam mit Univ.-Prof. Dr. Gudrun Biffl von der Donau-Universität Krems hat Muhr nun ein Buch herausgegeben, das die Einführung der Bildungsstandards und Lernstandserhebungen aus verschiedenen Perspektiven kritisch beleuchtet. Darüber hinaus befasst sich der Sammelband mit dem Zusammenhang zwischen Migration und Bildung und analysiert Maßnahmen zur Sprachförderung.
"Die Tests sind theoretisch schlecht begründet"
In Zukunft müssen sich in Österreich - wie in anderen Ländern bereits üblich - SchülerInnen der vierten und achten Schulstufe jährlich Tests in Deutsch, Mathematik oder Englisch unterziehen. Die Ergebnisse sollen zeigen, inwieweit die Bildungsstandards erreicht wurden, um daraus Rückschlüsse auf das Schulsystem ziehen zu können. Der Grazer Germanist Rudolf Muhr hat zwei Semester lang mit Studierenden in Klassen mit und ohne MigrantInnen-Kindern die Lernstandserhebung im Fach Deutsch genau unter die Lupe genommen und kommt zum Schluss: "Die Tests sind theoretisch schlecht begründet."
Kinder mit Migrationshintergrund
Wie nicht anders zu erwarten, haben Kinder mit Migrationshintergrund sowie SchülerInnen aus sozial schwächeren Familien deutlich schlechter abgeschnitten als jene mit deutscher Muttersprache beziehungsweise mit stärkerer Unterstützung durch die Familie. "Nur wenn alle Schülerinnen und Schüler ähnliche Voraussetzungen mitbrächten, könnten diese Tests tatsächlich Auskunft über unser Schulsystem geben und Grundlage für Verbesserungen sein", so Muhr. Es gelte also Defizite auszugleichen, wobei der Wissenschafter vor allem gezielte, intensive Sprachförderung für notwendig hält.
Volksschule Geidorf
Weiters plädiert er für zwei- und mehrsprachige Erziehung, wie zum Beispiel in der Volksschule Geidorf, wo eine Klasse kroatisch und deutsch unterrichtet wird: "Zum einen dient das dem Spracherhalt, zum anderen lernen auch die deutschsprachigen Schülerinnen und Schüler gratis eine Sprache dazu. Mehrsprachigkeit ist ein Gebot der Stunde", ist Rudolf Muhr überzeugt.
Neuerscheinung: Rudolf Muhr, Gudrun Biffl (Hrsg.), Sprache - Bildung - Bildungsstandards - Migration. Chancen und Risken der Neuorientierung des österreichischen Bildungssystems, Peter Lang Verlag, Wien u.a. 2010

Rückfragehinweis: Ass.-Prof. Dr. Rudolf Muhr, Institut für Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Karl-Franzens-Universität Graz, Tel.: 0316/380-8176, E-Mail: rudolf.muhr@uni-graz.at

Aussender: Mag. Gudrun Pichler, Presse + Kommunikation, Karl-Franzens-Universität Graz, Universitätsplatz 3, 8010 Graz, T 0 316 380-1019, F 0 316 380-9039, gudrun.pichler@uni-graz.at , presse@uni-graz.at