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Di | 26.11.2013
Schweizer Studie Diskriminierung im Alltag bremst Integrationslust
Einer Schweizer Studie zufolge wollen sich viele ausländische Jugendliche nicht mehr einbürgern lassen, denn für ausländische Jugendliche bleiben bei der Lehrstellensuche oft nur die wenig attraktiven Arbeitsplätze übrig. Verstärkt durch Diskriminierungen im Alltag bremst dies ihre Integrationslust.
Die Soziologinnen Eva Mey und Miriam Rorato von der Schweizer Hochschule Luzern befragten insgesamt 45 Jugendliche der zweiten Generation ("Secondos") aus Emmen (Kanton Luzern) zu ihrem Übertritt ins Erwachsenenalter, wie der Schweizerische Nationalfonds (SNF) am Dienstag mitteilte. Viele profitierten bei der Lehrstellensuche von einem Angebot zur Überbrückung oder einem möglichen 10. Schuljahr nach Absolvierung der Schulpflicht.
Trotzdem dorthin vermittelt worden, wo die wenig attraktiven Stellen freigeblieben waren
Die Jugendlichen seien um diese Angebote sehr froh, sagte Mey auf Anfrage. Allerdings mussten sie im Verlauf der Stellensuche viele Hoffnungen aufgeben, selbst wenn sie großen Einsatz zeigten und gute Schulleistungen erbrachten. Sie seien im Rahmen der Überbrückung trotzdem dorthin vermittelt worden, wo die wenig attraktiven Stellen freigeblieben waren.

Die Jugendlichen fanden also beispielsweise Stellen in der Pflege oder auf dem Bau, anstatt wie erhofft Verkäuferin oder Mechaniker zu werden. Die Reaktionen darauf sind laut Studie unterschiedlich: Die einen fügen sich in ihre Außenseiterposition, andere zeigen einen großen Willen, den sozialen Aufstieg zu schaffen.
Demütigungen im Alltag
Gelingt dies nicht, ist die Enttäuschung umso größer. Die befragten, zumeist aus dem Balkan oder Südeuropa stammenden Jugendlichen sehen frühere Demütigungen im Alltag bestätigt, zum Beispiel die nervenaufreibende Lehrstellensuche, das lange Warten auf eine Einbürgerung oder den verwehrten Zutritt zu einer Diskothek.

Die Folge ist eine Abkühlung des Integrationswillens. Statt bei der Arbeit mit Jugendlichen anderer Nationalitäten in Kontakt zu kommen, ziehen sich die Secondos vermehrt in den Kreis der Familie oder ihrer Communities zurück. Besonders im Ausgang kommt es laut der Studie zu einer Entmischung der Nationalitäten.
Veränderung der Einstellung zur Einbürgerung
Ein klares Signal für Haltung der Jugendlichen ist die Veränderung ihrer Einstellung zur Einbürgerung: Bei der ersten Befragung, als die Jugendlichen in ihrem letzten obligatorischen Schuljahr standen, hätten die meisten geplant, sich später einbürgern zu lassen, sagte Mey. Drei Jahre später hatten praktisch alle diesen Plan aufgegeben.

Für Mey ist diese Entwicklung eine verpasste Chance, die Secondos für die Schweiz zu gewinnen. Wer in der ohnehin labilen Jugendphase das Gefühl vermittelt bekomme, nicht gebraucht zu werden, verliere das Interesse an gesellschaftlicher Teilhabe. Diesen Knick im Integrationsprozess gelte es zu verhindern.
Die Forscherin empfiehlt der Politik, den Secondos zum Beispiel politische Mitspracherechte auf Gemeindeebene zu geben. Zudem müsse die Zuteilung auf verschiedene schulische Niveaus konsequenter als bisher nach dem Prinzip "Leistung statt Herkunft" erfolgen.