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Di | 26.11.2013
Verbitterung im Vatikan Das schwere Los der Christen im Irak
Papst Benedikt XVI. nimmt jede Gelegenheit wahr, um zur Solidarität mit den leidgeprüften Christen im Irak aufzurufen und für sie zu beten.
Das katholische Kirchenoberhaupt lässt auch nicht nach, immer wieder Frieden für den Irak zu fordern. "Man darf diesem Land nicht die Zukunft vorenthalten, auf die es ein Recht hat", verlangte Joseph Ratzinger vergangenen Sonntag beim Angelus-Gebet vom Fenster seines Arbeitszimmers im Vatikan aus.
"Man darf diesem Land nicht die Zukunft vorenthalten..."
Das katholische Kirchenoberhaupt lässt auch nicht nach, immer wieder Frieden für den Irak zu fordern. "Man darf diesem Land nicht die Zukunft vorenthalten, auf die es ein Recht hat", verlangte Joseph Ratzinger vergangenen Sonntag beim Angelus-Gebet vom Fenster seines Arbeitszimmers im Vatikan aus.

Seit dem Sturz des laizistischen Baath-Regimes von Saddam Hussein durch die US-Invasion im Jahr 2003 sehen sich die Christen im Irak zunehmend der Verfolgung ausgesetzt. Die dramatische Zuspitzung der Lage führte dazu, dass sich die Zahl der Christen dort mehr als halbiert haben soll - von 1,2 Millionen auf nunmehr unter 600.000.
Entführung des Erzbischofs von Mossul
Die Entführung des chaldäisch-katholischen Erzbischofs von Mossul, Mar Paulos Faraj Rahho, vorige Woche wirft ein grelles Licht auf den schwierigen Alltag der Christen in dem Zweistromland. Das folgenschwere Chaos zwischen Euphrat und Tigris nimmt gerade christliche Gemeinden in die Zange, die bereits seit Jahrtausenden bestehen und jetzt in ihrer Existenz bedroht sein könnten. Zum einen scheinen sie eine leichte Zielscheibe für den islamistischen Terror zu sein, auch weil sie keinen sie beschützenden Stamm hinter sich haben. Zum anderen ziehen sie die Aufmerksamkeit von Kriminellen auf sich, so wie auch im Fall des Erzbischofs sofort von Lösegeldforderungen die Rede war.
"Die größte Christenverfolgung ... im Irak"
"Die größte Christenverfolgung weltweit spielt sich gegenwärtig im Irak ab", warnte Tilman Zülch von der Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). "Gezielte Terroranschläge und Massaker" gehörten zu dem, was irakische Christen zu erleiden hätten - neben Einschüchterungen, Übergriffen und Entführungen. In der Hauptstadt Bagdad würden mehr als tausend christliche Familien von islamistischen Milizen bedroht, weil sie nicht zum Islam übertreten, Sondersteuern zahlen oder ihre Töchter Muslimen zur Frau geben wollten, schlug die christliche Hilfsorganisation "Portes ouvertes" (Offene Türen) Alarm.
Christen respektierten jedoch "wirklich alle"
Der jüngst verschleppte Kleriker war kurz nach dem Verlassen eines Gotteshauses im überwiegend sunnitischen Mossul im Nordirak entführt worden. In der Stadt starben im Jahr 2007 der Priester Ragid Ganni und drei seiner Helfer eines gewaltsamen Todes. Rahhos Amtsbruder in Kirkuk, Erzbischof Louis Sako, sieht bei der jüngsten Gewalt aber auch einen aktuellen Hintergrund: Die Wiederveröffentlichung der umstrittenen Mohammed-Karikaturen habe alles noch verschärft, sagte Sako im Gespräch mit Radio Vatikan: "Das hat sehr wehgetan, denn die Menschen hier glauben, dass ein Christ gegen den Islam ist." Christen respektierten jedoch "wirklich alle".
Ende der Christengemeinden im Irak
Verbitterung herrscht so unter Christen im Irak wie auch im Vatikan. Irak-Experten schließen weitgehend aus, dass geflohene Christen in absehbarer Zeit in ihre Heimatorte zurückkehren könnten. Manche befürchten nach Angaben der deutschen Konrad-Adenauer-Stiftung sogar das Ende der traditionsreichen Christengemeinden im Irak. Benedikt XVI. wird also nicht so bald nachlassen können, mahnend seine Stimme zu erheben - während die katholische Kirche doch dabei ist, eine Brücke zum Islam zu bauen und mit muslimischen Gelehrten noch in diesem Jahr in Rom in einen Dialog auf hochrangiger Ebene zu treten.
Von Hanns-Jochen Kaffsack/dpa