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Österreich "Paradies für NS-Verbrecher"
Der Direktor des Simon Wiesenthal Centers (SWC) Jerusalem, Efraim Zuroff, hat heftige Kritik an den österreichischen Behörden bezüglich der Verfolgung mutmaßlicher NS-Verbrecher geübt.
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Rechtslage "empörend"
"Österreich ist ein Paradies für NS-Verbrecher", sagte er bei einer Pressekonferenz heute in Wien, nachdem er zuvor mit Justizministerin Karin Gastinger (BZÖ) und Innenministerin Liese Prokop (ÖVP) zusammengetroffen war. Die Ermittlungen gegen mutmaßliche Täter seien "unzureichend", Täter könnten in Österreich ungehindert über ihre Verbrechen sprechen. Die Rechtslage nannte er "empörend".
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"Gesetz schützt die Nazis"
"Der modus operandi ist, nicht hart nach Beweisen zu suchen", kritisierte Zuroff die österreichischen Behörden. Verdächtige würden lediglich gefragt, ob sie an bestimmten Aktionen beteiligt gewesen seien. Sagten sie "nein", hätte sich die Sache weitgehend erledigt. "Das (österreichische) Gesetz schützt die Nazis und verhindert, dass sie zur Rechenschaft gezogen werden", empörte sich der Nazi-Jäger. Die Situation "sollte eine Peinlichkeit für den Präsidenten der EU sein", sagte er in Richtung des EU-Ratsvorsitzenden, Bundeskanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP).
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Operation Last Chance |
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Ermittlungen in 77 Fällen
Im Rahmen der Operation Last Chance (Operation letzte Chance) hat das SWC Österreich seit September 2003 insgesamt 328 Namen von in Österreich geborenen mutmaßlichen NS-Verbrechern übermittelt. In 77 Fällen davon werde ermittelt, so Zuroff. Die Untersuchungen gingen jedoch "langsam und passiv" vor sich, beklagte er. Angriffspunkt des SWC-Direktors ist auch die Vorgangsweise gegenüber Personen, die nicht direkt an Verbrechen beteiligt gewesen sein sollen. "Was sie (die österreichischen Behörden) uns grundsätzlich sagen", könne man so auf den Punkt bringen: Man könne nur etwa unternehmen, wenn die Betreffenden "eine Pistole genommen und einen Mord begangen haben". Andernfalls könne man nichts machen.
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Belohnung |
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Unterschiedliche Informationen der Ministerinnen
Bezüglich der Aufstockung der Belohnung, die auf den gesuchten SS-Arzt des KZ Mauthausen, Aribert Heim, von Deutschland und dem SWC ausgesetzt wurde, hat Zuroff nach eigenen Angaben unterschiedliche Informationen von Gastinger und Prokop bekommen. Während ihm die Justizministerin gestern erklärt habe, zu diesem Zweck bedürfe es eines neuen Gesetzes, habe ihm die Innenministerin gesagt, in individuellen Fällen sei in Österreich sehr wohl eine Belohnung möglich.
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Name Ašner nicht bekannt
Der Name des früheren Ustascha-Polizisten Milivoj Ašner (Aschner), der für Verbrechen an der Zivilbevölkerung, Deportationen in Konzentrationslager sowie Raub und Vertreibung in Kroatien während des Zweiten Weltkriegs verantwortlich sein soll, sei dem Leiter des Mauthausen-Archivs des Innenministeriums nicht einmal bekannt, stellte Zuroff fest. Opfer damals waren vor allem Juden und Serben.
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"Die Zeit läuft aus"
Bezüglich der Ergreifung von NS-Verbrechern gebe es bei den Justiz-Behörden "keinen Sinn für Dringlichkeit", kritisierte Zuroff, "die Zeit läuft aus". Er ging bei der Pressekonferenz davon aus, dass die Jagd nach Gesuchten auf Grund deren hohen Alters nur mehr zwei bis drei Jahre dauern könne
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NS-Verbrecher Ašner |
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Kroatien Auslieferung beantragt
Zum Fall des in Klagenfurt lebenden Ašner erläuterte Zuroff, dass Kroatien die Auslieferung beantragt habe. Österreich habe dies mit Verweis auf die österreichische Staatsbürger-schaft des Verdächtigen aber abgelehnt. Es ist nicht klar, ob das beim Landesgericht Klagenfurt aufgenommene Verfahren gegen den über 90-Jährigen auch tatsächlich dort weitergeführt wird. Möglicherweise muss Ašner doch nach Kroatien ausgeliefert werden, wenn sich herausstellt, dass er die österreichische Staatsbürgerschaft unrechtmäßig erwarb. Dies wird gerade geprüft.
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Kritik |
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Mutmaßliche KZ-Wächterin Erna Wallisch
Die heute in Wien lebende Erna Wallisch, sei als Wachperson im Konzentrations- und Vernichtungslager im Lubliner Stadtteil Majdanek in Polen in den Massenmord an Tausenden involviert gewesen, schilderte Zuroff einen weiteren Fall. Sie habe die Opfer bewacht, als sie zu den Gaskammern geführt wurden. Von einer Überlebenden sei sie als Sadistin beschrieben worden, die an der Selektion der Opfer teilgenommen habe. "Gemäß dem Gesetz hier" sei ihre Rolle bei den Vergasungen damals als von "nicht entscheidender Bedeutung" eingestuft worden, so der Nazi-Jäger. Dabei habe Wallisch die mutmaßlichen Verbrechen einmal selbst zugegeben.
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Festnahme Heims |
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Österreich wird 130.000 Euro aussetzen
Für Informationen, die zur Festnahme Heims führen, der zuletzt in Spanien oder Südamerika vermutet wurde, hat Deutschland laut Zuroff 130.000 Euro ausgesetzt. Er habe Österreich aufgefordert die gleiche Summe bereitzustellen. Sowohl Gastinger als auch Prokop hätten dies befürwortet. Dem 1914 in Radkersburg geborenen Heim wird vorgeworfen, 1941 als SS-Arzt im Konzentrationslager Mauthausen zahlreiche Häftlinge grausam ermordet zu haben, viele von ihnen durch Injektionen ins Herz.
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"Unglaublich" sei, dass ein Mann, der nach Angaben des SWC in der ehemaligen NS-Euthanasie-Anstalt im oberösterreichischen Hartheim Befehle zur Durchführung von Vergasungen gab, ohne Folgen bei seinem Geburtstag über seine Taten berichtet habe. "Das ist hier (in Österreich) kein Problem", meinte Zuroff.
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77 Untersuchungen
Von den 328 in Österreich geborenen mutmaßlichen Ex-Angehörigen von Einheiten, die NS-Verbrechern begingen und deren Namen das SWC den Behörden mitgeteilt hat, leben heute noch 83, wie Zuroff sagte. In sechs von diesen 83 Fällen seien Ermittlungen wegen Mangels an Indizien eingestellt worden, in den übrigen 77 liefen noch Untersuchungen. In 44 weiteren Fällen gebe es Zweifel, ob die betreffenden Personen noch leben oder nicht. |
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Der Sprecher von Justizministerin Gastinger, Christoph Pöchinger, betonte unterdessen, dass Efraim Zuroff die Ministerin im Hinblick auf die österreichische Gesetzeslage zur Auslobung einer Belohnung "falsch verstanden" habe. Natürlich sei kein neues Gesetz notwendig. Die Justizministerin habe darauf hingewiesen, dass für Auslobungen von Belohnungen eine spezielle Regelung wünschenswert sei. Sie sei dafür eingetreten, zu überlegen, wie derartige Richtlinien aussehen könnten. "Eine Regelung ist kein Gesetz", sagte Pöchinger.
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